Martin Blättner
Arnulf Rainer
»Der Übermaler«
Pinakothek der Moderne, München, 10.6. – 5.9.2010
Monumental und streng, mystisch dunkel und symbolistisch beladen, so stimmen uns die übermalten Bretterkreuze im ersten Raum ein. Die tiefe Verwurzelung in christlicher Leidens- und Todesbeklemmung drängt sich geradezu auf. Die schwarze Farbe, die sich pastos über die Balken ausbreitet, lässt nur kleine Partien –meist im unteren Bereich der Vertikalen – frei: verhaltene Widersprüche zur absoluten Auslöschung. Sogar ein Miniaturfragment des Gekreuzigten haftet noch am Holz, mit einem Handschuh in die obskure Finsternis eingebettet. Was zudem noch bei den frühen Kreuzbildern auffällt, ist, dass Arnulf Rainer als Person selbst noch nicht in Erscheinung tritt. „Der Übermaler“ verschwindet im eigengesetzlichen Prozess des Dialogs und Reagierens auf einen Bildgrund, der Schicht um Schicht bearbeitet wird.
Einen völlig anderen Eindruck erweckt die Werkgruppe der so betitelten „Face Farces“ und „Body Poses“, bei der der Künstler selbst zum Darsteller wird. Bei diesen Fotoreihen, die ursprünglich noch vor dem Fotoautomaten am Wiener Hauptbahnhof entstanden und später von professionellen Fotografen aufgenommen wurden, lotet Arnulf Rainer sein Ausdrucksreportoire bis zum Äußersten aus: seinen Schmerz, seine Wut, seine Verstörung in den Portraits oder sein Ausgeliefertsein in den Posen als gefallener Darsteller. Er ist nackt niedergestreckt und wird in der nachträglichen Bearbeitung gedemüdigt , verletzt oder mit impulsiven Strichen, Hieben, Kratzern und Klecksen geschändet, verschandelt oder eben einfach nur irgendwie emotional aufgeladen. Das inszenierte Märtyrertum grenzt gelegentlich an die dargestellten Grimassen der „krassen“ Selbstversuche.
Unmittelbarer und weniger spektakulär entstanden seit den frühen siebziger Jahren parallel zu…