Moderne, reloaded: Interviews mit Künstlern
Arne Schmitt
Die Kunst des Möglichen
Arne Schmitt (geb. 1984, Mayen) studierte Fotografie in Leipzig und Brüssel und lebt seit 2013 in Köln. Im Zentrum seiner fotografischen Arbeiten steht die historisch fundierte Betrachtung von Architektur und Städtebau der deutschen Nachkriegszeit aus heutiger Sicht. Dabei nimmt Arne Schmitt die oft utopisch formulierten Ansätze der Avantgarden nach ausführlichem Quellenstudium beim Wort, untersucht die Kontexte ihrer Entstehung und stellt die zu Architektur gewordenen Lösungsansätze mit nüchtern-sachlichen Aufnahmen und fotografischen Beobachtungen zur Diskussion. Zu Schmitts wichtigsten Veröffentlichungen gehören die Fotoserie Einer unter Vielen oder das vieldiskutierte Fotobuch Wenn Gesinnung Form wird (2012), eine fotografische Essaysammlung zur bundesdeutschen Nachkriegsarchitektur. 2013 wurden seine Arbeiten mit dem Wüstenrot-Preis ausgezeichnet, einem der wichtigsten Preise für Dokumentarfotografie.
Sabine Maria Schmidt: In seiner Schrift „Luftkrieg und Literatur“ hat W.G. Sebald 1999 auf das lange literarische Verdrängen einer Auseinandersetzung mit den tiefen Gräben, Wunden und Folgen der Bombardierungen deutscher Städte aufmerksam gemacht. Warum gerade jetzt die so intensive Auseinandersetzung mit der Nachkriegsarchitektur? Warum jetzt in deiner Generation, über siebzig Jahre später?
Arne Schmitt: Dafür gibt es viele Gründe: ich denke, dass es bis in meine Generation hinein gedauert hat, bis dieses gesellschaftlich tief sitzende Ressentiment gegen die Architektur der 1950er bis 1970er Jahre soweit abgebaut war, dass man sich mit ihr beschäftigen konnte, ohne sie schlicht als hässlich zu verdammen oder ihr allerlei soziale Probleme in die Schuhe zu schieben. Ich habe oft den Eindruck, dass es sich um…