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Magazin · von Claudia Wahjudi · S. 487 - 487
Magazin , 2001

Arbeit im Abendland

Alles Kunst. Diesen Eindruck muss gewinnen, wer die jüngsten Debatten um die Zukunft der Arbeitsgesellschaft verfolgt hat. Wenn Wirtschaft und Staat die Vollbeschäftigung nicht mehr garantieren, wenn Massenarbeitslosigkeit zum Dauerzustand wird und sich immer mehr Menschen Jobs ohne Haltbarkeitsdatum basteln, dann ist die Versuchung groß, die herkömmliche Arbeiterei zum Teufel zu wünschen und die Tätigkeitsgesellschaft auszurufen.

Als Arbeit gilt dann alles, was Arbeit macht, auch wenn bisher dafür nichts gezahlt wurde: das Ehrenamt im Seniorenheim, das Staubwischen daheim und das, was unter dem Begriff Kreativität rangiert. Wieder einmal dämmert die Vorstellung von einer Gesellschaft herauf, in der jeder sein schöpferisches Potenzial an der großen sozialen Plastik einsetzt, und prompt avanciert der Künstler zum Leitbild dieses Modells. Bedenken hingegen, dass etwa all die schönen neuen Tätigkeiten im reproduktiven Sektor doch wieder den Frauen zufallen, werden hinfort gewischt. Anlass genug, inne zu halten und nachzuhaken, was eine Gesellschaft, in der Arbeit aus Stellenmangel in Kreativität aufgeht, wirklich bietet. “Alles Kunst?”, wollte also das Hamburger Schauspielhaus wissen.

Und neun prominente Referenten aus Politik, Wissenschaft, und Kultur suchten von Januar bis Juni 2000 auf seiner Bühne Antworten. Stefanie Carp, damals Dramaturgin in Hamburg, heute Chefdramaturgin am Schauspielhaus Zürich, hat diese Reden nun als Buch herausgegeben. Das verspricht mit Namen wie Richard Sennett, Jan Philipp Reemtsma und Daniel Libeskind einigen Erkenntnisgewinn, und es liefert ihn auch, allerdings ganz anders, als der Titel verheißt.

Zwar haben die Redner die Frage “Wie arbeitet der Mensch im neuen Jahrtausend, und was tut er in der übrigen Zeit?” ernst genommen….

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