Reinhard Ermen
Arbeit an den Phänomenen
Richard Oelze: Zeichnungen. Zustände: Georg Winter
Villa Merkel, Galerie der Stadt Esslingen, 6.12.1998 – 17.1.1999
Die graziösen Scheinwerfer werfen künstliches Licht. Gedreht wird mit zwei Kameras, davon ist eine auf Schienen montiert. Die Neo-Renaissance Villa des Fabrikanten Merkel ist aber auch ein ansprechendes Ambiente für einen Film. “IL CINEMA É UN INVENZIONE SENZA AVVENIRE”. Das scheint eine italienische Produktion zu sein, so ließe sich aus dem im Vestibül angebrachten Motto schließen. Die Firma indessen gibt sich japanisch, die UKIYO Camera Systems (=UCS) sind am Werke, der Arbeitstitel klingt unverkennbar deutsch: “Arbeit an den Phänomenen”.
Schnell hat der neu eintretende Betrachter gemerkt, daß die Filmsituation in der Empfangshalle nicht echt ist. Mit den Geräten des UCS, das “Orientierung und Sicherheit bei der Bildorganisation” verspricht, kann man beileibe keinen Film drehen; es handelt sich um schwarz lackierte Holzdummies. Das gilt auch für die anderen Produkte dieses Herstellers, die in einer großformatigen Leistungsschau im ganzen Haus feilgeboten werden. Georg Winter (*1962 in Stuttgart lebend und arbeitend), steckt dahinter. Den Namen seiner Phantomfirma, die immerhin seit 1992 besteht, hat er mit Bedacht gewählt: “Ukiyo-e, die ‘fließende vergängliche Welt’, ist die tragende Bezeichnung für die zweihundertjährige Blüte der japanischen Holzschneidekunst” (Ausstellungsführer). Und in der Tat, Winter kommt vom Holzschnitt, der die ersten Schatten seines Medienbaukastens vorauswarf und sich seit einigen Jahren in den knuffigen Modellen auf eine andere Art und Weise materialisiert. Den Begriff der Attrappe lehnt er für diese griffigen Handschmeichler ab, sie sind mit dem Ehrgeiz eines Bildhauers gemacht, und…