Evelyn Weiss
Anselm Kiefer
Anselm Kiefer klingt wie ein Pseudonym, wie ein erfundener Name aus der Dürerzeit, eine Reminiszenz an deutsche Geschichte; alles dies trifft nicht zu. Es ist ein unverbrauchter Name eines Künstlers, der in der Kunstszene noch nicht hin und her gezerrt und von der Kunstkritik noch nicht etikettiert wurde. Genauso wenig verbirgt sich hinter diesem Namen eine ‘Neuentdeckung’, sondern ein Künstler mit einem reichen und reifen Werk, das in den letzten acht Jahren entstand.
Er ist nicht unbekannt und unerkannt geblieben: Künstler kennen ihn (sie sind immer ernstzunehmende Hinweiser), zudem einige Galeristen und Privatsammler. Aber es handelt sich um einen kleinen Kreis, den er selbst nie zu erweitern versuchte. Selbst als er 1970 in der Klasse von Joseph Beuys eingeschrieben war, blieb er in seinem kleinen Dorf in Baden und fuhr zu den Korrekturen nach Düsseldorf. Kiefer arbeitet zurückgezogen – eine Haltung die nicht durch Abwehr oder Flucht motiviert ist. Seine Auseinandersetzung mit der Gegenwart, seine Stellungnahme zu den kulturellen und politischen Strukturen der Zeit vollzieht sich im ständigen Dialog mit der Geschichte, vor allem mit der deutschen Vergangenheit, mit deren Mythen, mit ihren Helden und Antihelden. Von großer Bedeutung ist für Kiefer in diesem Zusammenhang die Landschaft, in der er lebt. Kiefer begreift die Landschaft als Träger und Quelle von historischen Ereignissen, nicht allein als Bühne, auf der sich Geschichte ereignet hat. Er vermittelt eine umfassende Einheit, in der Mensch und Landschaft sich im dialektischen Ablauf der Geschichte gegenseitig beeinflussen, gestalten, umwandeln, verändern, angleichen. Mensch und Umwelt sind…