Johannes Meinhardt
Anselm Kiefer
Geschichte als mythische Evokation
Kunsthalle Würth, 16.10.2004 – 1.5.2005
Es ist jetzt mehr als zehn Jahre her, dass Anselm Kiefer Deutschland verlassen hat und nach Frankreich in die Cevennen gezogen ist, und diese Ausstellung in der Kunsthalle Würth ist die erste Ausstellung von Arbeiten Anselm Kiefers in Deutschland seit mehr als zehn Jahren. Die 24 Arbeiten der Ausstellung, deren Entstehung von 1976 bis 2003 reicht, gehören überraschend deutlich in zwei verschiedene Epochen, deren Zäsur um 1994 herum liegt. Unter den sieben früheren Arbeiten befinden sich wichtige Gemälde, so vor allem „Bilderstreit“, 1977-88, und „Das goldene Vlies“, 1993-94, welche zentrale Metaphern (oder eher Analogien) Kiefers aufgreifen und tief in seiner Mythologie der Geschichte als Katastrophe verankert sind. Die siebzehn Arbeiten aus den letzten zehn Jahren jedoch, neben der Monumentalität mehrerer von ihnen, zeigen eine starke thematische Verschiebung, eine Ausweitung seiner Mythologie sowohl ins Kosmische als auch in die nichteuropäische Geschichte, in die nichtwestliche Welt.
Schon das Motto der Ausstellung, das aus einem Gespräch mit Anselm Kiefer von 1990 stammt und das am Eingang der Ausstellung als Inschrift auf einer Wand präsent ist, deutet auf eine Ausweitung hin: „Es gibt Namen, die haben eine bestimmte Aura: Märkischer Sand, Königgrätz, Dreilinden. Oder jüdische Namen, etwa Lilith. Man braucht gar nicht viel darüber wissen, um damit arbeiten zu können. Der Name erzeugt so eine Ahnung, ein Gefühl, dass dahinter etwas verborgen ist. Der Namen Jason hat diese Aura. Und dieser Mythos steckt in einem, ohne dass man darüber gelesen hat.“ Solche Aufladungen…