Annette Kelm
Leaves
Kestner Gesellschaft 11.03. – 07.05.2017
von Jens Asthoff
Die Ausstellung umfasste Fotoarbeiten von 2005 bis heute, 27 Werke und Werkgruppen führten schlüssig vor Augen, wie Annette Kelm ihre Sujets an klassischen Genres wie Stillleben, Porträt oder Objekt- und Architekturfotografie entwickelt und diese dabei neu interpretiert. Die typische, mal nüchtern, mal enigmatisch, mal ornamental agierende Sachlichkeit ihrer Fotografie verbindet sich mit malerisch kalkuliertem Bildaufbau und schafft subtil gesetzte Bezüge. Kelm lotet Repräsentationsformen des Fotografischen aus und schleust Ambivalenzen ein. Ihre Stillleben etwa sind oft Umdeutungen des klassischen „pack shot“, ein Typus der Werbefotografie, der den Bildgegenstand mit großer Schärfe, klarer Ausleuchtung und objektivem Kamerastandpunkt präsentiert. Nicht von ungefähr wurde ihre Praxis mit der des Produktfotografen Hans Hansen, aber auch mit dem fotografisch-konzeptuellen Ansatz eines Christopher Williams verglichen.
Bei Kelm legt die klare Formsprache alles offen, und doch ist oft nicht so recht einzuordnen, was man sieht. Eindrucksvoll irritierend waren hier etwa sechs Arbeiten aus einer größeren Werkgruppe, die sogenannte „Protestumhänge“ zeigen: Weiße, mit politischen Slogans farbig beschriftete Überwürfe, offenbar handgefertigt, artikulieren ein gesellschaftliches, speziell feministisches Engagement, dessen Anliegen teils aktuell, dessen Ästhetik und Sprachstil aber seltsam aus der Zeit gefallen wirken. Kelm entdeckte die Stücke bei Recherchen am Münchner Institut für Zeitgeschichte im Nachlass der deutschen Frauenrechtlerin Hannelore Mabry. Diese hatte sich ab 1976 im „Förderkreis zum Aufbau der Feministischen Partei“ engagiert, bei dessen Aktionen die Umhänge getragen wurden. Schon in früheren Arbeiten beschäftigte sich Kelm mit dem ästhetischen Erscheinungsbild des Feminismus in Deutschland, etwa im Foto „Vitrine zur Geschichte der Frauenbewegung…