Frank-Alexander Hettig
Anne & Patrick Poirier
»The Shadow of Gradiva«
The Getty Center, Los Angeles, 6.11.1999 – 30.1.2000
Archäologie hängt genauso von der Phantasie ab wie von der Wissenschaft, um eine verlorene oder verborgene Welt wieder zu entdecken und zu erschaffen. Die Beziehung zwischen Kulturzeugnissen durch Ausgrabungen und Einbildungsvermögen erforschen Anne und Patrick Poirier in ihrer Installation “Der Schatten der Gradiva”. Ihr “letzter Ausgrabungsfeldzug” führt sie in die Archive und in die Sammlungen des Getty Museums, um die Spuren von Gradiva zu bergen. Diese ,Vorschreitende’ aus der 1903 veröffentlichten Novelle von Wilhelm Jensen hatte auch schon früher ihre Spuren hinterlassen. Sigmund Freud analysierte die Träume und Wahnvorstellungen des durch Jensen beschriebenen jungen Archäologen Norbert Hanold bis zu der von Bretons geöffneten Galerie “Gradiva”, für die Duchamp die Vordertüre entwarf.
Anne und Patrick Poirier webten darum zwischen Archäologie, Psychoanalyse, Mythologie und Kunst ein grafisches Referenznetz, in dessen Zentrum zwischen unterschiedlichen Konzepten und Charakteren sich Gradiva befindet. Variierend von ,Jagd nach dem Schatten’, ,städtische Katastrophen’, ,Ruinen’, ,Traum’, ,Erotik’ oder ,Fetischismus’ bis zur realen oder mythischen Charaktere von Schliemann, Freud, Magritte, Dalí oder Orpheus und Virgil, ist sie der Mittelpunkt von Poiriers spekulativem Netz.
Diese theoretischen Verbindungen und Kombinationen zeigen sie grafisch als Wandmalerei am Anfang ihrer Installation. Gegenüber von diesen gedanklichen und theoretischen Berührungspunkten dokumentieren sie eine Kombination der Objekte aus der Sammlung des Getty Museums wie antike Statuen von Eros und Psyche und ihren eigenen Artefakten wie der Fuß der Gradiva auf japanischem Papier gezeichnet oder einem von ihnen mit Ruinen aus Gips gefüllten Schädel…