Bonn
Anna Oppermann
Eine Retroperspektive
Bundeskunsthalle 13.12.2023–01.04.2024
von Noemi Smolik
„Das Chaos muss ausgehalten werden“ entgegnete Anna Oppermann den oft irritierten Besucher*innen ihrer Ausstellungen. Denn anders als heute standen die Besucher*innen der Fülle von Fotos, Zeitungsausschnitten, selbstgemalten Bilder und Zeichnungen, Notizzetteln, Büchern und ausgerissenen Buchseiten, die von Blumentöpfen, Vasen mit verwelkten Blumen, kitschigen Tieren aus Porzellan oder Kerzen durchsetzt waren, völlig hilflos gegenüber. Zu viel, zu unterschiedliche Blickwinkel, zu unterschiedliche Materialien, einfach Chaos. Als diese Künstlerin mit solchen meistens über eine Ecke des Raumes aufgebauten Inszenierungen Ende der 1960er Jahre auftrat, dominierten die Minimalisten, fast ausschließlich Männer, mit ihren klinisch reinen geometrischen, industriell hergestellten Formen die Kunst. Und die konzeptuelle Kunst, die in ihrer Bemühung, sich dem Kunstmarkt zu entziehen, nicht selten nur aus einem beschriebenen Zettel als eine Anweisung zur Handlung bestand. Allerdings verdankte Oppermann der konzeptuellen Kunst einiges, doch mit ihrer überbordenden Flut an Zetteln, Bildern, Fotos und Objekten unterlief sie geradezu die auf Reduzierung bedachte Kunst.
Obwohl Oppermann in den 1970er Jahren zweimal an der documenta – documenta 6 und 7 – teilnahm und in wichtigen Institutionen Ausstellungen hatte, geriet sie in den letzten Jahren in Vergessenheit. Sicherlich trug auch ihr früher Tod dazu bei. Sie starb 1993 gerade 53 Jahre alt. Denn ohne ihre Präsenz verloren ihre Inszenierungen an Charme. Oppermann – so schrieb die Kritikerin „Der Zeit“ in ihrem Nachruf 1993 –, „die sich mit Turban, überlangen Wimpern und einer rauchigen Stimme auch gern ein wenig märchenvamphaft gab, spielte die erwachsen gewordene Alice im Wunderland: Tief ließ sie sich…