Renate Puvogel
Anna Lena Grau
»Halbzeug«
Thomas Rehbein Galerie, Köln, 11.1. – 23.2.2013
Halbzeug und Kunstwerk – diese beiden Dinge schließen sich dem allgemeinen Verständnis nach eigentlich aus, denn unter Halbzeug versteht man industriell vorgefertigtes Rohmaterial in vielgestaltiger Ausprägung, die für die Weiterverarbeitung zum Endprodukt zur Verfügung stehen. Von einem Kunstprodukt hingegen verlangt man ausdrücklich, dass es seine endgültige, einmalige Form gefunden hat. Die Hamburger Künstlerin Anna Lena Grau (geb. 1980) führt nun künstlerisch überzeugende Werke vor, die zugleich das Stadium von Zwischenzuständen und Übergängen zum Inhalt haben und beide Modi auf spannende Weise in Einklang bringen. Gleich im Eingangsbereich baumelt ein mehrteiliges, schweres, buntfarbenes Objekt von der Decke herab; seine gleichgeformten, flachen Plastikstücke sind mit einem Hanfseil zu einem bizarren Baum vertäut. Vorbild für diese „Cargo“ genannte Arbeit von 2012 sind bemerkenswerte Funde von Metallbarren aus der Bronzezeit, welche sich in Form von Tierhäuten von zwei Menschen am bequemsten transportieren ließen. Dies aufgreifend hat Grau bunt zusammengewürfelte Plastikabfälle wie Puppenarme, Trillerpfeifen, Teller oder Siebe mit Kunststoffgranulat versetzt zu bildhaften „Ochsenhautbarren“ (2009-12) doppelten Formats vergossen. Dass Grau es dem Käufer eines solchen Objekts anheim stellt, diesen wiederum zu neuer Form einzuschmelzen, zeugt für ihre kluge Selbsteinschätzung. Von Schmelzzuständen der Kunststoffe erzählen überdies farbige Fotoprints, die wie Gemälde des abstrakten Expressionismus anmuten.
Wie beiläufig erkundet Grau das jeweils gewählte Material und verfolgt den Prozess seiner Wandlung bis zurück zu seinem Ursprung. Bemerkenswert dabei, wie sie in ihre Projekte stets gründliche Recherchen auf historischem, technischem oder wissenschaftlichem Gebiet beinah spielerisch mit einbezieht. Daher fragt es…