Stephan Maier
Anna Jermolaewa
»Das vierzigste Jahr«
Salzburger Kunstverein, 9.2. – 15.4.2012
Ingeborg Bachmann hatte das Thema wortklug angestimmt: „Wenn einer in sein dreißigstes Jahr geht, wird man nicht aufhören, ihn jung zu nennen. Er selber aber, obgleich er keine Veränderungen an sich entdecken kann, wird unsicher; ihm ist, als stünde es ihm nicht mehr zu, sich für jung auszugeben,“ schreibt sie in ihrer Meistererzählung „Das dreißigste Jahr“.
Was aber, wenn nach der Zeitenwende in jedermanns Leben, die mitunter auch mit einer kapitalen politischen Epochenwende verknüpft sein kann, weitere zehn quälende Jahre der Ernüchterung und der Rück- wie Tiefschläge ins Land gezogen sind und man sich längst – eigentlich überfällig – einer schonungslosen Existenzüberprüfung hätte unterziehen sollen?
Schon im Titel nimmt die Künstlerin Anna Jermolaewa Bezug auf Bachmanns Werk, das ihr seit einer frühen Lektüre, damals schon im Westen, im Original bekannt ist. In „Das vierzigste Jahr“ entwirft sie ein vielstimmiges, sich gegenseitig fast übertönendes Bild ihrer selbst inklusive ihrer fünf engsten Komplizen vor genau einem Vierteljahrhundert. Oder anders ausgedrückt: Wie wir wurden, was wir sind und warum das Ganze zwangsläufig so kommen musste, wie es schließlich eingetreten ist.
Damals, 1986, waren sie noch Schüler eines Kunstgymnasiums im ehemaligen Leningrad, wurden unter anderem in Porträtmalerei in der Tradition des sozialistischen Realismus unterrichtet. Dann kam der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und damit das Ende des Freundeskreises, nur zwei der Jungmädchen, die da so gedämpft optimistisch in die Kamera blicken, leben noch in Russland.
Und das Auffinden eben dieser einen Fotografie, vergilbt wie die Erinnerung an das einstmals…