Ingrid Bacher
Angehaltene Fluchtpunkte
Der Maler und Schriftsteller Peter Weiss
Peter Weiss, ein Künstler, der keinen anderen Zufluchtsort als in der Kunst fand, so sehe ich ihn heute. Früh schloß sich die Kindheit; die Jugend voller Schrecken ließ keine andere Ausschweifung zu als die der apokalyptischen Weltenschau. Er selber eine Randfigur, beobachtend, vorbeitreibend. Nichts war beständig außer den Bildern. Die gewohnte Sprache nicht mehr hilfreich in den Jahren der Emigration in England, Prag und Schweden. Erst nach dem Ende des Krieges bekam sie für ihn wieder Bedeutung, und er gewann sie zurück.
Seine Mutter, aus Basel stammend, war in ihrer Jugend Schauspielerin gewesen. Sein Vater, ein ungarischer Jude, war Textilfabrikant und dem Paß nach tschechischer Staatsbürger, wie es denn auch der Sohn war, der in Deutschland geboren wurde. Kurz bevor die Familie Berlin verlassen mußte, verunglückte 1935 seine zwölfjährige Schwester, Marie Beatrice. Ihr Tod bestätigte dem Achtzehnjährigen das Verhängnis, fremd zu sein, unheimisch wo auch immer. Gewißheit bot seitdem nur die Kunst. Sie blieb der einzig verbindlich ihm zugehörige Ort und so sein Ausgangspunkt, Schlüssel zur Welterfahrung, verläßlicher Grund. Eng verknüpft war dabei die Beziehung zur Literatur. Als Maler, der zwei Jahrzehnte lang bildnerische Zitate wie literarische Metaphern benutzte, vergewisserte er sich so des Bestehenden.
Später dann, als Schriftsteller, beschwor er die Anwesenheit von Kunstwerken, um existentielle Situationen darzustellen, die in ihrer Dramatik Höhepunkte geschichtlicher Auseinandersetzungen zeigten, Ausnahmesituationen, durch die Alltägliches seine Bedeutung erhielt.
Begabt als Maler wie als Schriftsteller, begann Peter Weiss vielleicht nur deswegen so ausschließlich als Maler, weil er früh in die…