Wolfgang Lange
Andy Warhol
oder die Wiederaufbereitung der Kunst aus dem Geiste der Kulturindustrie
Im Herbst 1986 präsentierte die Galerie d’Offay in London die allerletzte Creation von Warhol Enterprises, eine Reihe großformatiger Porträts des jüngstverstorbenen Altmeisters der Pop-art. Anlaß genug, über den vielgeschmähten und vielgerühmten Magier und Scharlatan auf dem Aktualitätenmarkt Kunst einige Reflexionen auszustreuen, darüber nachzudenken, was Pop war und aus Pop wurde, und was Pop innerhalb der Geschichte der modernen Kunst bedeutet.
Auffallend ist die Monumentalität dieser, wie üblich gleich in Serie produzierten Bildnisse; keines der ausgestellten Bilder unterschreitet im Umfang die ZweiMetermalzweiMeterMarke, einige reichen weit darüber hinaus. Als Basis dieser Porträts ist ein Foto verwendet worden, das die alters- und geschlechtslose Physiognomie Warhols frontal vor dunklem Grund zeigt. Alle Spuren von Individualität sind restlos getilgt; hätte man Warhol auf Abbildungen nicht schon tausendmal gesehen, man hätte keinen Anhaltspunkt, um was für eine Person es sich hier handelt. Am ehesten noch könnte man versucht sein zu glauben, man werde mit einem neuen, außerplanetarischen Mitglied des Raumschiffes Enterprise konfrontiert: vor dem Hintergrund eines schwarzen, von einigen kleinen Lichtpunkten durchsetzten Sternenhimmels, das Gesicht eines Fremden, dessen starrer, ausdrucksloser Blick einen auf Distance zu halten sucht und dessen silberweißer Haarschopf wie von kosmischen Winden zerzaust in der Eiseskälte des Universums zu einem bizarren Gebilde gefroren scheint. Immer wieder dasselbe Bild: Ein Mensch, der vom Himmel fiel, in verschiedenen Variationen; einfach in Schwarz und Weiß, scharlachrot getönt, oder aber aufgelockert und verfremdet durch eine Kolorierung, deren Tarnfarbenmuster auf Warhols Berührungsphobie verweist, auf seinen Wunsch, Anonymität…