Wolf Schön
Andy malt Willy
Als Andy kam, sah und siegte, surrten und schnarrten die Kameras, klickten die Verschlüsse, schubsten und drängten sich an die hundert Reporter stellvertretend für die sensationshungrige Menge. Aber was sich da abspielte in der sorgsam überfüllten Bonner Galerie Wünsche, war keineswegs nur der überraschende Auftritt eines amerikanischen Pop-Stars, der vor seinen Werken posiert und sich nach allen Regeln des Show-Business feiern läßt. Andy kam, um das zu tun, was bedeutende und unbedeutende Künstler vor ihm bislang in der Abgeschiedenheit eines Ateliers zu verrichten pflegten. Er produzierte vor aller, an die Drähte der Massenmedien angeschlossenen Öffentlichkeit ein Werk, und nicht irgendeins, sondern das Porträt eines deutschen Staatsmanns.
Gibt es einen deutschen Politiker, der es mit den genormten, grellbunt geschminkten, noch vor dem Frühstück konsumierbaren Idolen der großstädtischen Subkultur aufnehmen kann? In den New Yorker Wolkenkratzerschluchten sind die führenden Köpfe der amtierenden Regierung kaum dem Namen nach bekannt, doch als der Bonner Emissär die Lockspeise Willy Brandt servierte, muß der Sphinx von Manhattan ein leises ‘wow’ über die Lippen gekommen sein. Die silbergraue Personifizierung der guten alten Pop-Zeit, im vorgerückten Alter noch immer auf der Suche nach banalen Mythen, Reklamehelden und schabionisierten Werbebildern, die durch Massenkonsum nicht verschleißen, sondern erst ihre Kontur gewinnen, hatte angebissen. In der Reihe der Campbell’s-Dosen, Brillo-Schachteln, Marilyn-Larven und Mao-Poster ist Big-Willy das vorläufig letzte Glied.
Der Anlaß weckt die Erinnerung an Adenauer, der sich auf der Höhe seines Ruhms von Oskar Kokoschka porträtieren ließ. Damals in Cadenabbia gab es Ölfarben und eine Staffelei und tagelange…