Andrew Gilbert:
Wir müssen die Kartoffeln befreien und sie in unsere Augenhöhlen nageln.
Ein Gespräch mit Oliver Zybok
Der schottische Künstler Andrew Gilbert kombiniert in seinen Papierarbeiten und raumgreifenden Installationen fiktive Situationen mit historischen Fakten. Anlass sind stets Gräueltaten aus den Zeiten des Kolonialismus, vornehmlich des Britischen Empire, die in der Art seiner Reflexion weit über den geschichtlichen Kontext hinausreichen, und deren Konsequenzen bis heute schwer wiegen. Dabei untersucht er auch die Aufarbeitung über jene Zeit in Filmen und Literatur. „Seine Methode ist die Reinkarnation. Indem er im künstlerischen Schaffen in die Rolle eines britischen Majors oder Generals schlüpft, sich fremde Identitäten einverleibt und selbst als reale oder fiktive Gestalt auftritt, gelingt es ihm, die Historie in die Gegenwart zu projizieren.“ (Zdenek Felix) Visionen der Vergangenheit und ihre Auswirkungen in der Gegenwart bleiben spürbar.
***
Oliver Zybok: Wenn es in anthropologischen Studien um die Kolonialisierung und postkoloniale Einflüsse in afrikanischen Gesellschaften geht, dann ist die Tendenz stark, diese Prozesse als einmalig und irreversibel aufzufassen, als sogenannte historische Ereignisse. Als solche stellen sie sich unserem Geschichtsverständnis und unserem schlechten Gewissen mit so viel Nachdruck dar, dass die Frage nach einer afrikanischen Interpretation oftmals nicht mitbedacht wird. Du beschäftigst Dich jetzt seit mehreren Jahren mit der Geschichte des Kolonialismus, hauptsächlich dem des Britischen Empire. Berücksichtigst Du bei Deiner Auseinandersetzung auch die afrikanische Sichtweise?
ANDREW GILBERT: Du hast ganz recht, seit 2005 stürze ich mich kopfüber in die riesige Landschaft des Britischen Empire des 19. Jahrhunderts. Meine Leidenschaft für Afrika lässt sich allerdings noch viel länger zurückverfolgen, bis…