Berlin
Andrea Pichl
Wertewirtschaft
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Bundesfinanzministerium 08.11.2024 – 04.05.2025
von Max Glauner
Kunst von Bedeutung entwirft eine eigene Sprache. Sie entwirft eine Grammatik, Ikonik und Logik. Sie muss, um zugänglich zu sein, an Früheres anknüpfen und weiterentwickeln. Der Künstlerin Andrea Pichl, 1964 in der Kleinstadt Haldensleben bei Magdeburg in der DDR geboren, ist dies gelungen. Ihre jüngste Ausstellung Wertewirtschaft im Berliner Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart und die Installation Palimpsest, 2024, eine Leihgabe der Nationalgalerie im Bundesfinanzministerium, sprechen Bände.
Der erste Solo-Auftritt einer Künstlerin mit Ost-Hintergrund im hehren Haus ist allerdings von Anfang an mit einer Zumutung verbunden. Andrea Pichl ist nach der Israelin Naama Tsabar die zweite Künstlerin in einer Reihe, für die die neue Direktion des Hamburger Bahnhofs eine Hälfte der Kleihueshalle leergeräumt hat, damit sich Gegenwartspositionen in ein Verhältnis zum Großkünstler Joseph Beuys in der anderen Hälfte setzen. Muss daneben nicht alles klein wirken? Nicht Andrea Pichl. Sie kann groß. So groß und gewitzt, dass sie die Kleihueshalle souverän sprengt. Sie entwickelt ihre Bilder, Objekte, Räume aus zwei Diskursen. Die Ökologien Joseph Beuys’ und die Ökonomien der DDR-Gesellschaftsordnung.
Bevor sich Pichls Publikum hierauf einlässt, kommentiert die Künstlerin den Düsseldorfer Schamanen, indem sie neben seine Strassenbahnhaltstelle 2. Fassung, 1976, eine Straßenlaterne stellt, VEB Leuchtenbau, 2024, als wollte die DDR-Peitschenlampe Licht ins Dunkel der enigmatischen Drachenkopfkanonenrohrassemblage bringen. Beuys wird zum Taktgeber der Subversions- und Transformationsbewegungen der Künstlerin. Sie finden sich schon im Titel der Ausstellung Wertewirtschaft wieder. Er bezieht sich auf eine Werkreihe von Beuys, in der er einfach verpackte…