Magdalena Kröner
Andrea Lehmann
Latenz und Phantasma
Treten Sie ein und finden Sie nicht mehr hinaus!” Wie auf dem Jahrmarkt scheint es dem Betrachter aus Andrea Lehmanns Gemälden entgegenzuschallen – und ein Besuch im Atelier ist eine Erfahrung ganz ähnlicher Art.
Gehüllt in dicke Schichten farbverkrusteter Wolle gegen die Kälte, das schwarze Rapunzelhaar zurückgebunden, marschiert Andrea Lehmann achtlos über ein Bild, das gerade in Arbeit ist, greift die Thermoskanne vom Boden und reicht der Besucherin Tee. Diese unauffällige Farbarbeiterin hat wenig gemein mit der ätherischen Riesen-Elfe, als die sich seit einer Weile selbst malt.
Der Boden ist dick überkrustet mit Schlieren und halbgetrockneten Pfützen aus Ölfarbe und übersät mit Ausrissen aus Modemagazinen, Prints aus dem Internet, zahllosen Fotos und Montagen, Notizen, Büschel künstlicher Haare, Kleidern, dazwischen Kanister voller Terpentin, Pigmente, Sprühlacke, Blattgold, Tortenspitze. “Räumen Sie hier doch mal auf”, sagten die Vermieter immer, wenn sie im Atelier in einem ehemaligen Stahlwerk vorbeischauten, aber diese Anweisung bleibt ungefähr so realistisch, als würde man Andrea Lehmann sagen, sie solle doch ihre Bilder mal aufräumen.
Vom “ganz großen Drama” und “Geheimnis” ist gern die Rede, wenn es um ihre übervollen Tableaus geht. Dabei war der Anfang eher profan als geheimnisvoll, jedoch schon von auffälliger malerischer Qualität: Lehmanns kleinformatige Verpackungsarbeiten, die sie im Jahr 2000 zeigte, nannten sich selbstironisch “Tütensuppen, reduziert” und waren eher Bildobjekte als Gemälde – Tütensuppen in Folie eingeschweißt eben, glaubhafter als die Realität und virtuos gemalt.
Es folgten surreale Zusammenkünfte von Tieren: Tintenfische jagten Hasen und Frösche, Hasen trafen sich mit Krebsen, Tintenfische flohen in den…