American Dream?
Protokoll eines Gesprächs zwischen Jürg Amann und Martin Kunz-Marti
M.K.: Dein Brief aus New York hat mich erschreckt. Du behauptest, von Amerika aus gesehen gebe es für die Schweiz keine Existenznotwendigkeit. Ich habe diese Aussage über ihre Wörtlichkeit hinaus so verstanden, dass du, fasziniert vom Duft der fernen weiten Welt, die Notwendigkeit von Nationen, von Kleinkulturen und Regionalismen überhaupt bezweifelst.
J.A.: Ja, von Amerika aus kam mir alles, was wir hier politisch so treiben, ungeheuer kleinkrämerisch vor. Es geht um die Welt, und wir wollen noch nicht einmal ein Teil von Europa sein. Statt dessen schlagen wir uns mit irgendwelchen dubiosen nationalen Geburtstagen herum. Von der Schweiz aus bewegt sich die Welt jedenfalls nicht. Aber das ist nur die eine, die sozusagen offizielle Seite der Erfahrung. Daneben, vielleicht noch gravierender, gab es aber auch die private. Das hat mich ja selber zuerst erschreckt. Alles, was mir bis dahin als unverzichtbar erschienen war, also zum Beispiel die Verwurzelung in der eigenen Sprache, die mir als Schriftsteller als das Wichtigste gegolten hatte, es war ein Mythos gewesen, es hatte sich nicht nur sozusagen, sondern buchstäblich über Nacht in Luft aufgelöst.
Ich kann es fast nicht glauben, dass sich deine Sprache, deine Mutter- und Vatersprache, in und von der du als Schriftsteller lebst, in Luft aufgelöst haben soll. Sind nicht deine Wurzeln ein für allemal in der deutschen Sprache und damit auch in einer bestimmten Denk- und Bildtradition festgewachsen? Radikal?
Lass mich erzählen, wie es begonnen hat. Schon nach den ersten drei Wochen meines Amerika-Aufenthaltes begann…