MICHAEL HÜBL
Ambigue Knautschzonen
Nadine Rennert: “Funktionslandschaften”
Kunstraum, Lindowerstraße 18, Berlin, 30.8. – 11.11.2001
Der Titel ist so eindeutig wie irreführend: Funktionslandschaften nennt Nadine Rennert ihre neuen, bodennahen Objekte. Das klingt nach FuMu, nach konsumstimulierender, arbeitstaktsteigernder oder aggressionspuffernder Funktionsmusik und könnte ein Hinweis darauf sein, dass noch den entlegensten Landschaften Funktionen zugeordnet werden, und sei es als prospektives Ausbeutungsareal: Natur gleich Nutzung. Doch die wellig ausgeworfenen, manchmal zu Höhlen sich wölbenden Stücke von Nadine Rennert geben keine unmittelbare Funktion zu erkennen, der sie dienen könnten. Sie bestehen aus deftig grünem Kunstrasen, der weich gefüttert, an den scharfkantigen Plastikrändern sorgsam paspeliert und stellenweise durch Plüschbesatz ins Kuschelige gewendet ist. Die Funktionslandschaften der Berliner Künstlerin sind Spielwiesen mit Spiegeln, von denen etliche an diversen Stellen angebracht sind. Sie steigern die (im doppelten Wortsinn) Viel-Fältigkeit der Arbeiten, die sich bei Rennert immer auch als Mehrdeutigkeit darstellt. Ihre früheren Objekte, von denen sie im Berliner Wedding einige Beispiele zeigt, sind drall ausgepolsterte, teilweise bis an die Schmerzgrenze wulstig abgeschnürte Fetische, die zu einer zum Bersten gegensätzlichen Einheit aus aufschwellender Erotik und abturnender Monstrosität verbunden sind.
Mit den Funktionslandschaften, die sie wie Teppiche auslegt, gelegentlich auch über ein niedriges, tisch- oder bettähnliches Gestell drapiert, löst sich Rennert von der Wand, erweitert sie den historischen Horizont ihrer Stücke, der sich nun zwischen den geometrischen Heckenschnitten barocker Gartenanlagen und den Soft Sculptures eines Claes Oldenburg, zwischen den quasi-rituellen Raumdefinitionen eines Franz Erhard Walther und den extravaganten Entwürfen enthemmter Couturiers erstreckt und der in solchen Assoziationen noch lange keine Begrenzung findet….