AMINE HAASE
Am Nullpunkt des Darstellbaren
Roland Barthes
Centre Pompidou, Paris, 27.11.2002 – 10.3.2003
Ein Semiologe im Museum – als Hauptdarsteller. Ein Kulturkritiker im Pariser Centre Pompidou – als Zentrum der Reflexion über die zahlreichen Anlässe seiner Kritik. Wie kann das funktionieren? Wie lässt sich das optisch umsetzen? Was fast unmöglich scheint, wird Dank der beiden Kuratorinnen der Ausstellung, Marianne Alphant und Nathalie Léger, zum Ereignis. Und das ist nicht nur ihrem Geschick in der Kombination von Gedankenspuren und Schriftstücken, von Filmzeugnissen und Kunstwerken zu verdanken, sondern auch dem Objekt ihrer Aufmerksamkeit: Roland Barthes wird wunderbar erkennbar als jemand, für den Wissenschaft nicht Grenzziehung bedeutete, sondern Öffnen von Horizonten und Erweitern des Bewusstseins. Seine Neugier galt nicht (nur) den Wörtern als Bausteine der Sprache und damit der Erkenntnis, sondern auch den Erkenntnissen als Mosaiksteinen der Gesellschaft. Diese Überschneidungen der Interessen und Analysen spiegeln sich in der Ausstellung, deren Architektur (Nathalie Crinière) so offen ist, dass es immer neue Ein- und Durchblicke gibt. Auch die Klänge der Wörter überschneiden sich (Ton-Design: Gérard Chiron) – was vom Besucher natürlich erhöhte Konzentration verlangt.
Roland Barthes (1915-1980) war nie ein Star der französischen Intellektuellen-Szene, kein Sartre, kein Lacan, kein Foucault, kein Lévi-Strauss. Und doch hat er das geistige Klima der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre mit geprägt. Das Kennwort hieß “Strukturalismus”, ausgehend von Linguistik und Ethnologie. Barthes frühester Beitrag dazu war 1953 die Untersuchung einer neutralen Sprache, “Le degré zéro de l’écriture” (Am Nullpunkt der Literatur). Gleichzeitig beschäftigte er sich mit “Mythologien” – quasi lexikalische Untersuchungen kombiniert…