Am Anfang war das Bild
Hans Belting, Bild-Anthropologie
Es gab eine Zeit, da schwelgte die Wissenschaft in Erinnerung. Mit Walter Benjamin als Wegbereiter, Begriffen wie “Archiv” oder “Gedächtnis” als Losung und Michel Foucault als letzte Hürde ließ sich hier ein Terrain abstecken, das nur darauf wartete, vom Paradigmenwechsel bestellt zu werden. Das Faible für die Gegenwart des Vergangenen ist nun gut zwanzig Jahre alt, und wenn das Ehepaar Assmann einen weiteren Sammelband zum Thema herausbringt, dann reicht es heutzutage auch gern einmal aus, ihn nur kurz durchzublättern.
Im Moment nämlich ist das Prinzip Zeit durch jenes des Raums ersetzt, namentlich durch jene Spezifizierung von Dreidimensionalität, für die das Wort “Ort” steht. Pierre Noras auf Frankreich bezogene Nationalenzyklopädie der “Lieux de mémoire” mag den Wandel durch die schlichte Begriffskombination angestoßen haben. Nicht nur, dass jetzt auch die Deutschen ihre Erinnerungsorte haben wollen und Bücher darüber publizieren. Nicht nur, dass der genuine Nachfolger von Jürgen Habermas als Stichwortgeber des Status Quo, Peter Sloterdijk, gleich drei Bände dafür braucht, “Sphären” zu umkreisen, und seine Spurensuche am Zirkulären auch noch wunderschön “Situologie” nennt.
Jetzt hat auch Hans Belting, der international wohl einflussreichste Kunsthistoriker der Republik, seine Methodik dahingehend erweitert, dass sie an das Prinzip Ort rührt. “Bild-Anthropologie” nennt Belting den soeben publizierten Rechenschaftsbericht, den er “ohne den Enthusiasmus” des Fink-Verlags “zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl noch nicht veröffentlicht hätte”. Allein, nun ist er da und verspricht im Untertitel “Entwürfe für eine Bildwissenschaft”, doch es ist weniger eine Anthropologie als eine, mit einem Begriff aus der Mathematik, Topologie. Und das…