Michael Hübl
Alles geplastet
Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung.
Literaturmuseum der Moderne, Marbach am Neckar, 13.3. – 31.8.2008
Prophetie oder Protest? Im März 1942 wurde eine Figur Claus von Stauffenbergs von einer Magdeburger Brücke herab in die Elbe gestürzt, so dass sie zerbrach. Hatten die Täter, deren Namen bis heute nicht bekannt sind, einen unbewussten Akt der Vorahnung begangen, hatten sie die abrupte Hinrichtung des Obersten der Deutschen Wehrmacht am 21. Juli 1944 symbolisch vorweggenommen? Oder waren die Magdeburger Bilderstürmer nur ihrem Widerwillen gegen das nationalsozialistische System gefolgt? Immerhin drang aus allen Poren der steinernen Statue die Ideologie des NS-Staates – zu sehen auf einem kleinen Schwarzweißfoto in der Wechselausstellung, die das Literaturmuseum der Moderne Marbach dem plastischen Gestalten im Kreis um Stefan George widmet. Die Aufnahme gibt die Magdeburger Brückenfigur wieder, die einen Pionier darstellt, ganz so, wie es die Bildprogramme des Regimes vorsahen: wacker und wehrtüchtig, stramme Haltung, harter Blick, Stahlhelm und Marschgepäck griffbereit neben den festen Stiefeln. Der Urheber der Skulptur zeigte sich selbst von seinem Werk beeindruckt. In einem Brief vom 19. August 1937 bemerkte Frank Mehnert (1909-1943), der zeitweise zu den engsten Vertrauten Georges gehörte: “obwohl nur 15 cm über Lebensgröße ist es ein gigantischer brocken”.
Mehnerts Modell war Claus von Stauffenberg gewesen, und auf ihn ist es wohl zurückzuführen, dass der Name des bildhauernden Autodidakten heute noch im öffentlichen Bewusstsein existiert – gewissermaßen als Spurenelement. Ein frühes Kopfporträt, das Mehnert 1929/30 von dem jüngsten Bruder seines Schulfreundes Berthold von Stauffenberg gefertigt hatte, steht heute in der…