THEORIEN DES ABFALLS
EDITORIAL
Alles Abfall?
VON PAOLO BIANCHI
«Vom ersten Tag an stelle ich fest, daß ich nur noch Müll sehe. Ich hab Ingenieurswesen studiert. Ich hab nicht Müll studiert. … Ich tue richtige und wichtige Arbeit. Landaufschüttungen sind wichtig. Problem ist bloß, der Job verfolgt mich. Das Thema verfolgt mich. Letzte Woche war ich in einem Restaurant, hübscher neuer Laden, ja, und da steh ich und schau mir die Essensreste auf den Tellern anderer Leute an. Übriggelassenes. Ich sehe Kippen in Aschenbechern. Und als wir nach draußen gehen.»
«Du siehst überall Müll, weil er überall ist.»
«Aber das hab ich doch vorher nicht.»
«Jetzt bist du erleuchtet. Sei dankbar.»
Jon DeLillo in «Unterwelt»
Zufall, Einfall, Abfall. Kunst kann Abfälliges in Auffälliges wandeln. Solches Intervenieren zeigt das künstlerische Vermögen, aus etwas etwas anderes zu machen. Was gemeinhin als Recycling gilt, lässt sich hier nun als Verzauberung des Materials erleben. Die Verteidigung der Poesie des Abfalls zelebriert die Schönheit und Anmut der letzten Dinge. Die Arbeiten der «Müllkünstler» leben vom Trotz gegen die Vergänglichkeit, von der Unnachgiebigkeit und von der Macht der Evokation und Suggestion. Wenn die Erkenntnisse der Wissenschaft vorläufig sind, sind die Erkenntnisse der Kunst dauerhaft, sie kennen kein Verfalldatum. Im Idealfall stiftet die Arbeit am Abfall gedankliche und objekthafte Verdichtungen. Paradox, dass sowohl die Kunst als auch der Abfall, etwas Unberührbares haben, wenn auch der Gegensatz nicht krasser sein könnte: das Erhabene und das Eklige.
Der Linearität von Produkt – Konsum – Abfall – Mülldeponie (die Ware/wahre Kunst landet im Museum), wie von…