Allan Sekula
Fish Story
Von Brigitte Werneburg
Es ist der Blick von der Brücke, der die aufgeräumte Übersichtlichkeit des “Panorama, Mid-Atlantic” schafft. Mit diesem Foto eröffnet Allan Sekula sein Fotoprojekt “Fish Story”, wie es auch als Buch vorliegt.* Nur der Bug des Containerschiffs schiebt sich wie ein Keil in den weitgespannten Horizont: Melancholie eines Kalenderblattfotos.
Was die maschinell gestapelten und algorithmisch ausbalancierten Container transportieren, ist nicht erkennbar. Sie könnten anorganische Rohstoffe oder Sojabohnen bergen. Ebensogut könnten sie eine der modernen, computerisierten Fabrikanlagen enthalten, die ruhelos von A nach B nach C und weiter verschoben werden – auf der Suche nach billigen Arbeitskräften oder einem Produktionsstandort in Verbrauchernähe. Denn nicht nur Menschen und Güter gehen auf Reisen, auch Produktionsanlagen sind zu mobilen Einheiten mutiert. Die Rationalisierung des Transports und die Globalisierung der Volkswirtschaften gehen Hand in Hand (erinnert sei an die unsichtbare Hand Adam Smiths).
Smiths Metapher für eine sich selbst regulierende Ökonomie hat im Zuge eines anti-interventionistischen Wirtschaftens und eines neoliberal deregulierten Marktes wieder an Beliebtheit gewonnen. Neuerdings hat sie auch an Anschaulichkeit gewonnen, und sie zeigt sich in Sekulas Fotografien von den menschenleeren, vollautomatisierten Hafenanlagen in Rotterdam als gegenwärtige technisch-industrielle Wirklichkeit.
Doch noch ist Allan Sekula mit der Sealand Quality auf hoher See. “Panorama, Mid-Atlantic” könnte als böse Allegorie auf Smiths Invisible Hand gelesen werden. Der Horizont, dem das Schiff entgegenfährt, ist kein offener. Über dem Meer türmen sich die graublauen Wolkenberge einer Kältefront, die das maritime Geltungsgebiet des neoliberalen Wirtschaftskalküls durchzieht. Und neben dem rotgesprenkelten Bug des Containerschiffs erkennt man plötzlich in der…