Dortmund
Alison Yip
Bare Heel Country
Dortmunder Kunstverein 31.10.2020–02.05.2021
von Jens Bülskämper
Fieser Nieselregen, 11 Grad, stockdunkel – Dortmund im Herbst; die zweite Corona-Welle rollt an. Obdachlose fluchen am Hauptbahnhof ihren Unmut in den kühlen Abend, wenige Minuten Fußmarsch entfernt liegt der Kunstverein, neue Wirkungsstätte der im Frühjahr berufenen Direktorin Rebekka Seubert. Draußen pöbeln Jugendliche sich fröhlich Mut zu und schauen mit großen Augen in den hell erleuchteten Ausstellungsraum. Vielleicht gefällt ihnen die junge Frau mit Anglerhut und neongrünen Socken (ohne Schuhe), die ein T-Shirt mit dem unwahrscheinlichen Aufdruck „Cowboy Poetry Gathering“ trägt. Solche Shirts gibt es in Dortmund nicht, dafür muss man schon aus dem kanadischen Calgary kommen und in Brüssel leben wie Alison Yip.
„Ich habe sehr viel mitgenommen vom Studium in Deutschland“, weiß sie zu berichten und ihre Ausstellung ist geeignet, diese Einschätzung zu bestätigen. Bekanntlich sind Lehrende wie Jutta Koether, bei der sie 2016 abschloss, Lucy McKenzie und Peter Doig nicht irgendwer an irgendwelchen Kunsthochschulen; Koether etwa betreibt in Hamburg ohne viel Aufhebens die vielleicht einflussreichste Klasse seit Fritz Schwegler in Düsseldorf. An der rheinischen Karriereschmiede führte McKenzie ihre Schülerin, nicht ganz uneigennützig, in die Geheimnisse der vermeintlich unzeitgemäßen und gerade darin interessanten Trompe-l’œil-Maltechnik ein – heute darf Yip ihr als Assistentin zur Hand gehen.
Malerei in einem erweiterten Zusammenhang zu verstehen – der Kunsthistoriker David Joselit argumentiert bekanntlich, dass sie bisweilen gar „neben sich“ stünde –, das gehört für eine Künstlerin wie Alison Yip zum selbstverständlichen Handwerkszeug und darf zu ihren zahlreichen Fingerzeigen in Richtung Koether gezählt werden. Joselit schreibt…