Michael Hübl
Alighiero e Boetti
Afghanistan. Ein leidendes Land. Vielleicht ein sowjetisches Vietnam. Seit dem 27. Dezember ist der Gebirgsstaat von der Roten Armee besetzt, brodelt ein Guerillakrieg gegen die Invasoren.
Alighiero e Boetti hatte zu jener Zeit bereits jahrelange Beziehungen und ..Handelsverbindungen” in die zentralasiatische Republik. Gestickte Weltkarten ließ und läßt Alighiero e Boetti dort produzieren. Nach immer gleichem Strickmuster: Tiefblau füllen die Weltmeere, auf denen buntgescheckte Kontinente schwimmen, das rechteckige Feld. In Villeurbanne, im Nouveau Musée, hängen drei dieser von armen Leuten im Stile armer Leute gestickten Welt-Tapisserien. Im Format und in der Farbigkeit divergieren sie; unterschiedlich sind auch die Schriftleisten, die Alighiero e Boetti um jedes dieser bunten Gewebe gelegt hat: Mal gibt das schwarz-weiße Letternband Auskunft darüber, daß der Teppich zu jener Zeit entstanden sei, da Pablo Picasso starb; mal rahmen philosophische Überlegungen das Erdengeviert: “Zwischen der Zehn und der Zwölf ist die Elf wie Afghanistan . . . unmöglich zu verdoppeln, herumzutasten, letzte Stratosphäre” (1). Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Welt-Wandteppichen treten weniger deutlich in Erscheinung, denn sie sind das Resultat eines gleichsam automatischen Verfahrens. Alighiero e Boetti legte lediglich das Konzept seiner Arbeit fest, die materielle Ausführung besorgt ihm ein Afghane. Die feinen Variationen seiner Arbeit, Zeichen folgenschwerer Veränderungen, erfindet die politische Entwicklung: Auf der ältesten der drei Tapisserien in Villeurbanne sind Angola und Moçambique noch in den portugiesischen Nationalfarben aufs Gewebe gestickt, so auch noch auf jenem Teppich aus dem Jahre 1973 (als Picasso starb). Der jüngste Wandbehang zeigt indes die neuen Nationalfarben der nunmehr…