Frank-Alexander Hettig
Alfredo Jaar
Galerie Barbara Farber, 21.10.-22.11.1989
Der sozial engagierte Künstler Alfredo Jaar aus Chile (Santiago 1956), der seit 1962 in New York lebt, zeigt die Kontroverse zwischen sozialem Elend in unterentwickelten Ländern und der industrialisierten Welt. Jenseits des schönen Scheins sind die Fotos der Minenarbeiter in Brasilien oder der äthiopischen Flüchtlinge. Dies wird jedoch nicht als soziologisches Phänomen dargestellt, sondern er zeigt die Individuen, die damit in Beziehung stehen. In dem oberen Raum der Galerie Barbara Farber stehen Lichtkästen auf dem Boden, deren schwarze Rückwände dem Betrachter zugewendet sind. Das Foto auf Milchglas, vom Zuschauer abgewandt und von hinten beleuchtet, kann man nur entdecken, wenn man in die sich an der Mauer befindenden Spiegel sieht, sich bückt oder sich über den Deckel der Kästen beugt. Man kann das Bild übersehen, ignorieren oder nur sich selbst im maschinengefertigten Spiegel sehen. Die mit den Lichtkästen vergleichbaren kleinen Spiegel, auseinandergeschnitten oder im gleichen Abstand aneinandergereiht, reflektieren das gegenübergestellte Bild des Schaukastens nur teilweise. Man kann durch den Spiegel nicht das ganze Bild, das den Platz der Realität einnimmt, übersehen. Die erschreckend dramatische menschliche Dimension ist keine journalistische Wiedergabe, obwohl sie dieselbe Information ausdrückt, da sie in einem anderen Kontext steht und eine neue Erschließung “lebensferner” Zonen zeigt. Diese konzeptuelle Verwertung als ästhetisch organisierte Reflexion eines sozialen Themas: das fotografische Bild von Kindern hinter Stacheldraht, verhüllte und verschmutzte, ausgemergelte Menschen, steht in starkem Gegensatz zu dem industrialisierten Material, welches Zivilisation, Fortschritt, Illusion, Glanz und Künstlichkeit suggeriert. Das inhaltliche Niveau steht zu der formalen Beschaffenheit…