1. Emanzipation versus Tradition: Krise der Archive?
Alexandria – London und zurück.
Via Oberried, Bukarest, Paris
Kleine Exkursion für Bibliothekare, Brandstifter und Bunkerspezialisten
Von Stephan Krass
»The Lighthouse invites the storm.«
(Malcolm Lowry)
Vom elften Stockwerk des Freiburger Militärarchivs aus gewinnen die Dinge eine andere Dimension. Der Überblick schafft eine neue Raumordnung. Modellhaft gruppieren sich Gegenstände und Menschen zu stummen Formationen. Von hier oben lassen sich Strukturen erkennen. Einzelnes fügt sich in Zusammenhänge. Man könnte versucht sein, das Ganze für eine strategische Landschaft zu halten, die man in Planquadrate einteilen kann. Es sieht so aus, als ob sich das Leben in von hier oben nicht mehr einsehbare Unterstände zurückgezogen habe. Die ganze Welt wirkt merkwürdig stillgestellt.
Werner Osunke tritt ans Fenster und weist auf zwei große Flachbauten unten im Hof des Gebäudekomplexes. Dort links ist Preußens Militärgeschichte eingelagert, erklärt er mir, und rechts die Bundeswehr, eine ganze Halle voll. Werner Osunke ist Spezialist für Einlagerungen; besonders mit der “Endlagerung” von sicherungsverfilmtem Kulturgut kennt er sich aus. Werner Osunke bereitet den Ernstfall vor, natürlich nur prophylaktisch. Seine Dienststelle, das Militärarchiv, untersteht dem Koblenzer Bundesarchiv und sammelt Dokumente der deutschen Militärgeschichte seit 1871. Das ist die Geschichte der zwei größten Kriege, die die Menschheit gesehen hat, und jener Löcher davor, dazwischen und danach, in denen mit stetem Fortschritt die Technik des Siegens zur Strategie der Vernichtung heranwuchs. Das Archivmaterial dient, sofern es nicht der Geheimhaltung unterliegt, wissenschaflichen Zwecken. Hier können Friedensforscher und Generäle gleichermaßen fündig werden. Das Militärarchiv gewährt bei Bedarf auch Modellbauern Einblick, die für die maßstabgerechte Rekonstruktion…