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Nachrichtenforum: Aktionen und Projekte · von Jürgen Raap · S. 336
Nachrichtenforum: Aktionen und Projekte ,

Aktionen und Projekte

SEEDS FOR FUTURE MEMORIES

Die Region Tambacounda in Senegal „hat die höchste Migrationsrate in Westafrika und ist zugleich Kreuzungspunkt für die Routen durch Mali nach Lybien.“ In der Toskana leben schon lange Zehntausende marokkanischer, senegalesischer oder nigerianischer Herkunft; aus Afrika kamen in den letzten Jahren insgesamt etwa 300.000 Migranten nach Italien. Dies war Anlass für die Villa Romana in Florenz und die Thread Residency in Sinthian (Senegal) für „ein gemeinsames Projekt entlang der Route der Migration zwischen Afrika und Europa“. Recherchen und Projekte mit Reisen an beiden geografischen Enden dieser Route bilden nun das Konvolut mit künstlerischen Beiträgen einer dreiteiligen Ausstellung die zeitgleich in Berlin im „FREIRAUM in der Box“ (Boxhagener Straße 96, 11.07.– 17.08.2019), in der ifa-Galerie (Linienstr. 139 – 140, 12.07. bis 18.08.2019) und bei „ACCU MACHT NEU“ (Veteranenstr. 21, 13.07 bis 03.08.2019) zu sehen ist. Die Arbeiten „setzen sich mit den bis heute verheerenden Folgen von Kolonialismus und Kapitalismus auseinander, mit jahrhundertelanger rassistischer Ausgrenzung, aber auch mit Traditionen und Kenntnissen, die sich dem widersetzen; die nachhaltig Eigenes behaupten und ein Plädoyer für Freundschaft und Austausch darstellen.“

www.seedsforfuturememories.com

ARS ELECTRONICA: OUT OF THE BOX

2019 feiert die Ars Electronica ihren 40. Geburtstag: seit 1979 „begleitet, antizipiert und analysiert Ars Electronica die digitale Revolution, ihre Ursprünge, Erfolge und Irrwege. Als Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft stand und steht dabei stets die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung neuer technischer und wissenschaftlicher Entwicklungen im Mittelpunkt.“ In diesem Jahr findet das Festival vom 5. bis zum 9. September 2019 in der POSTCITY Linz am Areal des Linzer Hauptbahnhofs statt und steht unter dem Motto: „Out of the Box – Die Midlife Crisis der Digitalen Revolution“. Konferenzen, Podiumsdiskussionen, Workshops, Ausstellungen, Performances, Interventionen und Konzerten sind auch in diesem Jahr fester Bestandteil des Veranstaltungsprogramms. 

www.ars.electronica.art

EDINBURGH ART FESTIVAL

Das Edinburgh Art Festival vom 25. Juli bis zum 25. August 2019 findet in der gesamten Stadt statt und wird in Zusammenarbeit mit Galerien, Museen und von Künstlern betriebenen Räumen ausgerichtet. U.a. stellen Nathan Coley, Alfredo Jaar, Rosalind Nashashibi, Corin Sworn und Sriwhana Spong an verschiedenen Orten in der Stadt Projekte vor, „die Geschichten für eine ungewisse Welt erforschen.“ „The Fine Art Society“ zeigt eine Gruppenausstellung mit John Byrne, Jennifer McRae, Norman McBeath, Niall McDiarmid, Ishbel Myerscough und Eduardo Paolozzi. Die Fotokünstler Francesca Woodman, Diane Arbus and Robert Mapplethorpe werden in der The Scottish National Portrait Gallery in jeweils eigenen Künstlerräumen präsentiert. Zu den Höhepunkten des Festivals zählt auch eine umfangrieche Retrospektive von Bridget Riley in den Scottish National Galleries.

www.edinburghartfestival.com

ENDMORÄNE

Rund zwei Dutzend Künstlerinnen in Berlin und Brandenburg haben sich zum Verein „ENDMORÄNE“ zusammengeschlossen und veranstalten jedes Jahr im öffentlichen Raum des Berliner Umlands künstlerische Interventionen „in situ“. Eine Endmoräne meint in den Geowissenschaften eine wallartige Aufschüttung von Gestein vor einem Gletscher oder vor Inlandeis, hier sind es verlassene Orte, oft Industriebrachen, die dann in einer „Sommerwerkstatt“ künstlerisch mit raum- und themenbezogenen Arbeiten bespielt werden. In diesem Jahr wurde als „Monolith der Hochindustrialisierung“ die 1913 erbaute Turbinenhalle am Stienitzsee bei Rüdersdorf als Schauplatz der Aktion ausgewählt. „Unter Strom“ lautet der Titel des Projekts: „Früher wurde der Strom für die gesamte Gegend hier erzeugt. Heute soll ein Kulturstandort entstehen, der Kunst, Wissenschaft und Sport gleichermaßen fördert und verbindet.“

www.endmoraene.de

KAMINNESTER FÜR METZINGEN

Bis zum 29. Oktober 2019 bestreitet der Künstler Tadashi Kawamata die „Art Projects Metzingen 2019“ mit seinem installativen Konzept „Kaminnester für Metzingen“. Sein Projekt gliedert sich in zwei Teile mit künstlerischen Eingriffen an mehreren Orten im Stadtgebiet, ergänzt um eine Ausstellung mit Modellen, Zeichnungen, Fotografien und Filmen aus den zurückliegenden dreißig Jahren. Auf Fabrikschornsteinen, die „als Monumente des Industriezeltalters in den Himmel ragen“ installiert er „Kaminnester“ aus Holz – in Anspielung auf die Nester, die Störche und andere Zugvögel gerne auf Dachkaminen errichten. „Mit den Kaminnestern gibt Kawamata der Stadt eine natürliche Komponente zurück und fügt ihr gleichzeitig eine poetische Narration hinzu. Die inzwischen überwiegend funktionslos gewordenen Kamine verweisen zum einen zeichenhaft auf die traditionsreiche Vergangenheit des Textilzentrums der Stadt Metzingen und zum anderen wird der Luftraum als eine weitere Raum- und Wahrnehmungszone thematisiert.“

www. artprojects-metzingen.com

NEUE LANDKARTE FÜR HAWAII

Kaho’olawe ist die kleinste der acht Hauptinseln von Hawaii. Es gibt dort keine permanent sesshafte Bevölkerung, und ohne Genehmigung darf die Insel auch nicht betreten werden, aus gutem Grund: Seit die US-Army und die Navy hier 1941 / 42 die ersten Bombentests durchzuführen begannen (deren Erkenntnisse gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auch auf die Flächenbombardements in Deutschland angewandt wurden), und diese Tests noch bis in die 1990er Jahre fortsetzten, gilt Kaho‘olawe als der„meist bombardierte Ort der Erde“, wie der Berliner Künstler Hans Winkler anmerkt. In Zusammenarbeit mit der Kaho’olawe Island Reserve, Hawaii, und der grunt gallery in Vancouver führte Winkler ein Projekt „Die Reise nach Kaho’olawe“ durch. 2019 wurden „offizielle Karten von Hawaii ohne die Insel Kaho’olawe publiziert“. Darauf reagierte Winkler mit einem neuen, eigenen Landkartenentwurf, schuf auch eine Postkarte und die Grafik einer Briefmarke, welche in einer limitierten Edition die UNO herausgibt.

www.hswinkler.de

BERLIN: EIGENBEDARF

Die „Uferhallen“ sind ein Kulturzentrum in Berlin-Wedding. Dort will vom 24. August bis zum 1. September 2019 Ausstellung „Eigenbedarf“ „mit künstlerischen Mitteln, Strategien und Ideen auf die prekäre Raumsituation und die sich verändernden Wohn- und Arbeitsbedingungen innerhalb des Berliner Stadtgefüges aufmerksam machen.“ Von der Gentrifizierung der Stadtviertel mit Mietpreisanstieg, Luxussanierungen und Verdrängung sind u. a. in starkem Maße die Angehörigen der Kunst- und Kreativszene betroffen, denn zentral gelegene Studios und Ateliers werden immer unerschwinglicher: „Auf dem Gelände der Uferhallen hat sich seit mehr als zehn Jahren eine einzigartige, spartenübergreifende Landschaft aus Ateliers, Werkstätten und Präsentationsräumen entwickelt. Seit dem Verkauf der Aktienmehrheit 2017 an die Argo Prato (unter finanzieller Hauptbeteiligung von A. Samwer) bangt auch hier jeder um die weitere Zukunft.“ Etwa 65 künstlerische Positionen sind für die Ausstellung in einem Programm zusammengefasst, das sich über das Außengelände und die hintere Halle erstreckt.

GO MATERA. GO!

Die 60.000 Einwohner-Stadt Matera liegt in Süditalien. Ihre ältesten Fundamente reichen bis in die Jungsteinzeit vor 9.000 Jahren zurück – sie gilt damit als die älteste Stadt der Welt. Materas Altstadt besteht zu einem erheblichen Teil aus Höhlensiedlungen, den Sassi. Sie gehören seit 1993 zum UNESCO-Welterbe. „Sassi di Matera People“ nennt der Aktionskünstler HA Schult die aktuelle Variation seiner „Trash People – Figuren in der Form von Menschensilhouetten aus Blechabfällen. Seit Ende der 1990er Jahre inszeniert Schult eine „Armee“ solcher Müllmenschenfiguren an markanten Orten im öffentlichen Raum. Am 24. und 25. August 2019 stehen diese „Sassi di Matera“-Figuren während der Dreharbeiten zu „Bond 25“ vor der Höhlen-Skyline der Stadt. Diese Figuren aus entsorgten Blechdosen symbolisieren einen „Planeten, den wir im Begriff sind zum Müllplaneten verkommen zu lassen“ – sie stehen aber neuerdings aber auch für die Flüchtlingsströme als Resultat politischer, ökonomischer und ökologischer Verwerfungen. Peter Weibel schrieb dazu: „Seit Jahrzehnten gelingt es HA Schult immer wieder, das öffentliche Bewusstsein durch gelebte Bilder (Tableaux) zu beleben, indem er auf öffentlichen Plätzen Themen inszeniert, die genau diese Öffentlichkeit zu verdrängen beliebt. Stets stellen seine Arbeiten Beziehungen her zu dem Ort, an dem sie ausgestellt sind. Dem Feudalismus, dessen Macht in gigantischen Bauwerken triumphiert, stellt er den Pauperismus der Ausgebeuteten gegenüber, die die Bauwerke errichteten.“

www.haschult.de

FOR FOREST-INTERVENTION

„FOR FOREST – die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“ nennt Klaus Littmann seine temporäre Intervention, die er vom 9. September bis zum 27. Oktober 2019 im Wörthersee-Fußballstadion von Klagenfurt (Kärnten) realisiert. „Inspiriert von „Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur“, einer dystopischen Bleistiftzeichnung des visionären, österreichischen Künstlers und Architekten Max Peintner (* 1937), die Littmann vor knapp dreißig Jahren entdeckte, erweckt FOR FOREST die Vision eines Waldes in einem Stadion zum Leben. Mit dieser monumentalen Installation möchte Littmann unsere Wahrnehmung der Natur herausfordern und den Blick auf die Zukunft der Mensch-Natur Beziehung schärfen.

www.forforest.net

ROHKUNSTBAU ABGESAGT

1994 fand die brandenburgische „Rohkunst bau“-Ausstellung erstmals statt, und zwar in einer Betonhalle in Groß-Leuthen, die 1989 für die Arbeiterfestspiele der DDR errichtet, jedoch dann nicht fertiggestellt wurde, denn die Wende und die Wiedervereinigung 1989 / 90 kamen dazwischen. 25 Jahre lang organisierte der „Verein der Freunde des Rohkunstbau“ an wechselnden Orten im ländlichen Raum Brandenburgs weitere „Rohkunstbau“-Ausstellungen, zumeist in leerstehenden Schlössern, und zwar mit der Heinrich Böll-Stiftung als Träger. Doch diese zog sich nun aus dem Projekt zurück. Aus diesem Grund fielen auch Fördergelder aus dem Topf der Bundeskulturstiftung weg. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr musste der Verein die für Juli und August 2019 geplante Ausstellung nun absagen und sucht nun nach einem neuen Träger für die Zukunft.

www.boell-brandenburg.de/de/rohkunstbau

INTERMEZZO-REIHE AHLEN

Jeweils in den Sommermonaten führt das Kunstmuseum Ahlen zu einem bestimmten Thema eine „Intermezzo“-Reihe durch. In diesem Jahr geht es um „Geteilte Wirklichkeit“. Den zweiten Teil der jetzigen Reihe bestreiten Albert Merz aus Berlin und Siglinde Kallnbach aus Köln. Merz Wandbilder, Grafiken, Skulpturen und Installationen sind auch in gewissen Maßen durch die geografischen Umfelder der Innerschweiz geprägt, aus der er gebürtig ist. Bei Siglinde Kallnbach zeigen vor allem „Filme und Fotos wie schonungslos sie ihre körperliche Präsenz und den Selbstvollzug ihrer Handlungen einsetzt. Das Thema der Verletzung und der Heilung, des Terrors und der Solidarität zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk. Siglinde Kallnbach tauchte von Anfang an in fremde Kulturen ein und vollzog mit ihren Aktionen kulturelle Transfers, so wie sie global denkend und handelnd politische Ereignisse, ob in Japan oder in Köln, durch ihre Kunst als Aufruf zur Reflektion, zur Teilhabe und Empathie verarbeitet. Vom 1. September bis zum 31. Oktober 2019 zeigt Siglinde Kallnbach außerdem eine Retrospektive ihrer Arbeiten aus den vergangenen 30 Jahren um Naturmuseum Tann / Rhön.

www.kunstmuseum-ahlen.de