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Essay · von Peter Sager · S. 188 - 188
Essay , 1973

PETER SAGER
AIR ART

Wo anders konnte es liegen als in der Luft: Alexander Calder, Meister des Mobiles, erhielt den Auftrag, ein Flugzeug zu bemalen. Eine vierstrahlige DC-8, die von der amerikanischen Fluggesellschaft ‘Braniff International’ auf ihren Südamerikalinien eingesetzt wird. Eine clevere Werbeidee, fraglos: Weg mit dem motorisierten Grauschleier, farbig fliegt man am schnellsten, und wer würde nicht gerne mit einem signierten Calder fliegen? Denn diese Maschine, heißt es, wird nicht den Namen der Fluggesellschaft, sondern nur die Signatur Calders tragen. Nach den bemalten Häuserfassaden und Autobussen nun also Kunst am Flugzeugbau, nach der Land Art die Air Art. Aber der Trip im fliegenden Kunstwerk ist ja doch mehr als spektakuläre Gebrauchskunst, auch wenn der Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft, im farbenfrohen Geist Vasarelys, die Sache zur ars democratica erklärt und sagt: ‘Damit werden mehr Menschen das Gemälde eines berühmten Künstlers zu sehen bekommen als wahrscheinlich jemals zuvor in der Geschichte.’ Und die Fluglotsen werden noch mehr bummeln, versunken in an- und abfliegenden Kunstgenuß oder aus Protest gegen unzumutbare Kunstbelästigung. Ich sehe sie schon, die Überschallbilderjäger, den Luftraum als mobiles Museum: Mit einer Miro-Mirage nach Moskau, zurück mit einer Chagall-Iljuschin, umgestiegen in Hundertwassers Regen-Jumbo, abgestürzt in Vostells Lippenstift-Bomber, dem einbetonierten, das mußte ja schiefgehen. Aber auf den Flugplätzen unserer Kunstwelt stehen schon hier und da, wie vom Himmel gefallene Ur-Vögel, die Stabiles des Alexander Calder. Seinen Mobiles, diesen federleichten, beschwingten Gebilden – wer verstünde das nicht – ist die Decke zu niedrig, der Raum zu eng geworden. Nun macht sich Calder, Beglücker bürgerlicher…


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