Agnes Martin
Von Eva Schmidt
Ende der fünfziger Jahre fand die 1912 in Kanada geborene und seit 1932 in den USA lebende Künstlerin Agnes Martin zu jenen Elementen, die ihre Bildform bis heute prägen. Wenn ihre Malerei vorher surrealistisch und biomorph ausgerichtet war, beginnt nun der stilistische Wandel mit der Entscheidung, repetitive Strukturen entweder über ein kleineres quadratisches Innenformat innerhalb einer ebenso quadratischen Bildfläche oder – ab 1964 – über das gesamte Bild bis zum Rand hin auszubreiten. Anfangs fanden sich neben Streifen, Linien und Gittern noch vereinzelt andere geometrische Formen wie Dreiecke oder kleine Bögen in der Horizontale aneinandergereiht; manchmal bildeten kleine Nägelköpfe eine Punktreihe parallel zur zarten Bleistiftlinie. Aber die regelmäßige Struktur, die sich innerhalb des Quadrats doch zu einer Ganzheit zusammenschließt, sowie die Kombination von zunächst Ölfarbe und Bleistift, später von Acrylfarbe und Bleistift, war etwa 1958 gefunden. Die Entwicklung des Werks bestand von da an in der weiteren Reduktion der Bildelemente, in der strengeren Reglementierung der Formentstehung, um aber gerade dadurch jede winzige Nuance der Abweichung, der Unregelmäßigkeit um so intensiver hervortreten zu lassen. Ad Reinhardt hat einmal mit dem Blick auf die asiatische Kunst eine Dialektik von Regel und Regellosigkeit, von Form und Formlosigkeit beschrieben, die allerdings nur teilweise auf die Kunst von Agnes Martin paßt. Reinhardt lehnt jede Unregelmäßigkeit ab, weil er sie nur als individuelle Handschrift identifizieren kann. Die Betonung der Routine und des Abstreifens jeglicher Verstrickungen ins materielle Dasein allerdings gilt auch für Agnes Martins Werk: “Der schöpferische Prozeß ist immer eine akademische Routine…