MICHAEL STOEBER
After Images
Kunst als soziales Gedächtnis
Neues Museum Weserburg Bremen, 27.6 – 2.10.2004
After Images ist der doppelsinnige Titel einer sehenswerten Ausstellung. Er meint sowohl die Bilder des Grauens der nationalsozialistischen Vernichtungs- und Auslöschungswut als auch die Nachbilder, die dieses Grauen im Gedenken der Nachgeborenen hinterlässt. Bezeichnenderweise sind die auf unserer Netzhaut nachklingenden Nachbilder immer Kontrastbilder. So ist der Titel jenseits seiner historischen Referenz auch eine treffliche Beschreibung der Aufgabe von Kunst. Nicht das Sichtbare wiedergeben, sondern sichtbar machen, hieß das bei Paul Klee. War Adorno im Schock der ersten Nachkriegstunde noch der Meinung, nach Auschwitz könne man keine Gedichte mehr schreiben – was nichts anderes hei en sollte, als vor der Wirklichkeit der Konzentrationslager müsse jede Kunst versagen – zeigen die in der Reflexion gekälteten Nachbilder der Nachgeborenen im Bremer Neuen Museum Weserburg, dass dies keineswegs der Fall sein muss.
Wir sehen in der Ausstellung Werke aus den letzten dreißig Jahren von zwanzig internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Einige der Werke sieht der Betrachter sicher nicht zum ersten Mal. Vermutlich gehören dazu die beeindruckenden Railway Maps (1996) von Penny Hes Yassour. In Deutschland waren sie zum ersten Mal auf der documenta X zu sehen. Ihr Liniengewirr zeigt die Strecken der deutschen Reichsbahn im Jahre 1938. Die Künstlerin hat sie als gespiegeltes Bild in Silikon gegossen. Das Werk weckt beklemmende Assoziationen an den preußischen Adler wie an die Zugtransporte in die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Zu den bekannteren Werken gehören aber auch Rachel Whitereads Holocaust Memorial (1995) für den Judenplatz in Wien, die Reine…