Michael Stoeber
Aernout Mik
»Shifting Shifting«
Kunstverein Hannover, 8.12.2007 – 3.2.2008
Beim Blick auf die Werke von Aernout Mik scheint es, als habe der Künstler den Ehrgeiz, in seinen Videowerken und -installationen, einen Befund des Sozialphilosophen Jürgen Habermas zu inszenieren, der es als Buchtitel bis in den Rang des Sprichwörtlichen geschafft hat. Es handelt sich um den Titel „Die neue Unübersichtlichkeit“, unter dem der Denker 1985 bei Suhrkamp „Kleine politische Schriften“ versammelt hat, in denen er die Pathologien der Moderne aufs Korn nimmt. Er kritisiert darin, dass in unserer Zeit das große Programm der Aufklärung in Aporien unterzugehen droht. Dass die Moderne, statt sich von der Kraft der Vernunft und einem Sinn stiftenden Bewusstsein leiten zu lassen, sich von sozioökonomischen und technologischen Sachzwängen bestimmen lässt. Und dass es in diesem Prozess immer schwerer wird zu unterscheiden, wer auf Seiten des Fortschritts und wer auf Seiten der Reaktion steht. Schwierig ist die Situation auch deshalb, weil angesichts hoher Zuwachs- und Neuerungsraten die Halbwertszeit unseres Wissens beständig abnimmt. Gegenwärtig dürfte sie bei weniger als sieben Jahren liegen. Die Erosion von Erfahrungen, traditionellen Normen und Werten, Orientierungs- und Handlungsstandards hat Konsequenzen. Bewährte Denk- und Problemlösungsstrategien versagen und damit die Vorhersehbarkeit von Entwicklungen. Eine „neue Unübersichtlichkeit“ ist die Folge.
Diese Unübersichtlichkeit, diese existenzielle Ohnmacht der Orientierung, ist das beherrschende Thema des Künstlers Aernout Mik. Im Kunstverein Hannover haben die Kuratoren, Stephan Berg und Martin Engler, darauf mit einer sehr stimmigen Ausstellungsgestaltung reagiert, indem sie die einzelnen Werkstationen von „Shifting Shifting“ durch ein labyrinthisches Wegenetz miteinander verbinden….