Michael Hübl
Acts of Voicing
»Über die Poetiken und Politiken der Stimme«
Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, 13.10.2012 – 13.1.2013
Eines ist sicher. Der Tod. Auch wenn es Religionen und Kulte gibt, die ihn nicht als Ende des Lebens, sondern als Übergang in einen anderen Daseins- oder Aggregatzustand auffassen – fest steht: Der Tod markiert das definitive Aus für die materielle und biologische Wirklichkeit des Menschen. Insofern hat Yang Zhenzhong das Maximum an Realismus in der Kunst erreicht. Im Verlauf von fünf Jahren, zwischen 2000 und 2005, hat der Künstler an unterschiedlichen Orten Frauen, Männer, Kinder in das Objektiv seiner Videokamera blicken und in der jeweiligen Landessprache den Satz sagen lassen: „Ich werde sterben.“ Das Postulat der Moderne, die Kunst aus ihren Illusionszusammenhängen herauszureißen, wird sachlich auf den Punkt gebracht. „Morirò“, „je mourirais“, „I will die“ – sachlicher kann Kunst kaum sein. Immer die gleiche Aussage, an deren Wahrheitsgehalt nicht zu rütteln ist. Auch von denen nicht, die sie formulieren. Und doch schwingt ein Moment der Unsicherheit mit. Bei den meisten Probanden von Yang Zhenzhongs dokumentarischem Experiment ist ein Unterton des Zweifels herauszuhören. Vielleicht auch der Angst. Der Angst, durch das Aussprechen ein Tabu zu brechen, die Macht der Worte zu entfesseln und somit das unvermeidliche Ereignis sozusagen vor der Zeit wachzurufen.
Als die Videoarbeit des chinesischen Künstlers 2007 auf der Biennale di Venezia präsentiert wurde, sah sich das Publikum en passant einer Großprojektion des filmischen ‚memento mori‘ ausgesetzt; im Vorbeigehen wurden die Besucher des Arsenale von der finalen Botschaft ereilt. Im Württembergischen Kunstverein ist…