Abstrakte Malerei
von Ulrich Loock
Anfang 1982 fuhr eine Gruppe Kunststudenten aus Düsseldorf nach Bielefeld, um an der Eröffnung von Gerhard Richters Ausstellung Abstrakte Bilder 1976 bis 1981 teilzunehmen. Dieser Ausstellungsbesuch war ein Schock. [01]
Bis dahin hatte Richter während fünfundzwanzig Jahren einen Nullpunkt der Malerei anvisiert. Er hatte auf der einen Seite „Photobilder“ gemalt und auf der anderen Seite „Farbtafeln“, „Graue Bilder“ und „Vermalungen“. Am Paradigma der gegenständlichen Malerei orientiert, möglicherweise als Reaktion auf den Realismus und die Vorstellungen von gesellschaftlicher Relevanz, auf die ihn das Studium in Dresden verpflichtet hatten, war seine Malerei entweder dem photographischen Bild unterworfen oder exponierte die Geste und die Farbe als entscheidende malerische Mittel. Der Durchsichtigkeit auf die photographische Vorlage stand die vollkommene Opazität des Mediums gegenüber. So konnte Richter die Notwendigkeit ausschließen, eine eigene, „engagierte“, persönliche Entscheidung über die Beziehung von Malweise und dargestelltem Gegenstand zu treffen. Er inszenierte ein neutrales Subjekt der malerischen Praxis: „Es malt“.
Abstraktion ist keine höhere Entwicklungsform der Malerei mehr, sondern eine Sache der Wahl, der Entscheidung, der Konstruktion, die neben anderen Formen der Malerei besteht – eine Modalität der Malerei.
Um die Autonomie des Kunstwerks zu sichern, hatte Clement Greenberg in den 1950er-Jahren die Ausbildung von reiner Medienspezifizität als Fluchtpunkt moderner Malerei konzipiert, und nur durch Abstraktion ließen sich die von ihm benannten Wesensmomente der Malerei rein ausbilden, flatness und opticality. Richter beantwortete dieses Moderne-Konzept mit einem Konzept, das Spezifizität durch die ausdrückliche Negation von malerischer Darstellung bewahrte, durch die Vorführung der Photographie in standardisierter, auf ein Photo zurückgehender Malweise und…