Klaus Honnef
Abschied von der Avantgarde
I. Reflexionen und Thesen
Mit mehr Enthusiasmus als begrüßt, wurde die Kunst der Moderne verabschiedet. Über hundert Jahre hat sie das Kunstgeschehen beherrscht, hat seine Diskussion befeuert. Postmodern, das Schlagwort, das seit einiger Zeit die Runde macht, signalisiert ihr Ende. Und nicht zufällig spricht Rudolf Augstein in einem umfangreichen Essay über das Werk und den Einfluß Machiavellis (!) auch vom Ende der Neuzeit1. Historische Gestalten, die den Beginn der Moderne einläuteten wie eben Machiavelli mit seiner Apologie einer doppelten Moral im politischen Geschäft, finden mit einem Mal verstärktes Interesse. Der Manierismus, Epoche des Umbruchs, der Entwertung überkommener Werte, der Zerstörung des überlieferten, mittelalterlichen Weltbildes, das jedermann Stütze war und Halt verlieh, Epoche demgemäß, in der sich ein neues Kunstverständnis auskristallisierte, stößt auf einen offenen Erwartungshorizont. Die Ausstellungsserie, die seine toskanische Ausprägung behandelte, erreichte eine Resonanz, die selbst eine touristenerprobte Stadt wie Florenz nicht zu verkraften vermochte. Manieristische Formen und Konfigurationen bevölkern zunehmend die Kunswerke neueren Datums. Eine technische Erfindung wie die Sofortbildfotografie, eine paradoxe Erscheinung2, wie alles, was mit manieristischem Lebensgefühl und manieristischer Haltung zusammenhängt, leistet ihnen gerade Vorschub. Und sie ist andererseits Symptom3. Neues kündigt sich an. Doch keiner weiß, was. Allgemeine Unsicherheit ist die Folge und die Einsicht, daß der Boden unter den Füßen schwankt. Die Kunst scheint vorläufig in prämodernen Entwürfen ihr Heil zu suchen. Rückgriffe auf Traditionelles, von der Avantgarde auf den Schutthaufen der Geschichte Geräumtes, sind an der Tagesordnung. Die Malerei feiert – nicht überraschend – fröhliche Urständ4.
Zwar steht fest: Nichts…