Vitus H. Weh
Absalon
Akademie der Bildenden Künste, Wien, 4.11. – 3.12.1995
Zuerst die aktuelle Theorie: “Architektur konstruiert die Subjekte, die in ihr leben” – vor allem zwei Bücher bereiten dies Thema gerade für den Diskurs auf: Beatriz Colomina (Hg.), Sexuality and Space und Richard Sennett, Fleisch und Stein. In Foucaultscher Manier geht es ihnen um eine Analyse des Verhältnisses zwischen Individuum – d.i. seinem Sozialstatus, seiner sensuellen und sexuellen Konstruiertheit usw. – und der es umgebenden, umschreibenden Architektur.
Und dann die Praxis: Ansätze einer ähnlichen Einstellung zu Architektur und Gesellschaft lassen sich in der Kunst bereits Mitte der 60er Jahre finden. Schon die “Living Units” von Joe Colombo, Archizoom oder Verner Panton wußten nicht nur um die Wirkungen zwischen Wohnform und Verhalten, sondern versuchten hier auch gesellschaftsverändernd einzugreifen. Ihr Sozialdesign der multifunktionalen Wohneinheiten ging dabei von einer ringsum offenen, ubiquitären Privatheit aus. Daß es damit der Großraumbüro-Lösung für das kollektive Wohnen entsprach, kam erst später in den Blick.
Mit den 70er Jahren verschwand dieser utopische Designansatz wieder aus der Kunst. Was sich durchsetzte war ein eher privatistischer, subjekt-orientierter Möbelbegriff, wie ihn z.B. Franz West mit seinen Möbeln und “Paßstücken” und Franz Erhard Walther mit seinem “Werksatz” vertreten, bis hin zu Allan Wexler mit seinem hölzernen “Crate House” oder eben als jüngster Vertreter Absalon.
In der Ausstellung der Wiener Akademie waren von Absalon zwei begehbare “compartiments”, zahlreiche Planskizzen, Modelle und drei Videos zu sehen. Die “compartiments” erinnern in ihrer Reduziert- und Kompaktheit zwar von ferne noch an die “Wohnlandschaften” der 60er, sind aber nicht mehr…