9. Die Funktionalen Dinge – die Neuen Träger der Malerei
Es ist wohl kaum verwunderlich, daß in einem Land, welches sich als die Brutstätte der Kunst, insbesondere der Malerei par excellence versteht, daß in Frankreich der Konflikt zwischen der kunstfeindlichen Funktionswelt und dem Abenteuer der Malerei auf besondere Weise ausgetragen wird. Auch hier macht sich die Verlorenheit der Kunst in einem übermächtigen Wirtschafts-Nutzen-System in den Köpfen der einst genialisch geglaubten Kreativen breit. Die Heiterkeit eines Matisse ist allenfalls noch eine ferne Erinnerung. Die Banalität des Alltags triumphiert über das Genie. Die Untersuchungen der Strukturen von Malerei sind im Land der Clarté abgeschlossen. Wie mit deren Ergebnissen umgehen? Die Nouvelle Figuration hat ihre eigene Banalität gefunden, indem sie Astérix in die Kunst einziehen ließ. Die Erben der Analytiker Patrick Saytour, Bertrand Lavier, ja auch Jean Luc Vilmouth suchten sich neue Träger für ihre Auseinandersetzungen mit der Malerei. Aber es geht nicht um Malerei als genialischen Akt der Zufügung. Zu viele Dinge sind schon da, nehmen Platz, Luft, Lebensraum. Bilder versperren den Geist, fluten das Denken, die Ideen hinweg. Man muß sich befreien vom Anspruch der genialen Kunst, die dieser Flut gewachsen wäre. »L’esthétique du détournement« nennt J. H. Martin28 jene historisch von Braque und Picasso lancierte Auseinandersetzung mit der Objektwelt, die in Laviers Werk heute zu einem vorläufigen Endpunkt gekommen ist. Abweichung also als die eigentliche künstlerische Schöpfung? Wo sollte sie besser festmachen als an den Dingen, die unsere visuelle Welt ohnehin beherrschen? Abweichung wäre die Möglichkeit einer neuen Bestimmung der Kunst…