Martin Blättner
„70/90. Engagierte Kunst“
Neues Museum Nürnberg, 13.10.2004 – 16.1.2005
Kein Künstler-Aufstand, keine „Kapital“-Beschimpfung, kein Schock-Eklat: Nach dem langen Marsch durch die Institutionen ist die sozial- und gesellschafts-politische Kunst der sechziger und siebziger Jahre im Museum (genauer gesagt: im „Neuen Museum“, dem Staatlichen Museum für Kunst und Design in Nürnberg) angekommen. Es schrillen keine Alarmglocken. Statt eines Hausbesetzungs-Spektakels gibt es Freibier und Getränke für alle – abzuholen im Kühlschrank an der Bar, die Rirkrit Tiravanija offenbar aus sozialer Fairness für die Ausstellungs-Besucher eingerichtet hat. Damit soviel alltägliche Gewohnheit wie möglich entsteht, darf man zum Fassbinder-Film „Angst essen Seele auf“ beliebig am Programm-Knopf des bereitgestellten Radios drehen – die Geräusch-Kulisse untermalt das inszenierte Sozialdrama, bei dem jeder willige Zuschauer zum Mitspieler werden kann. Demnach ist nicht etwa eine „Publikums-Beschimpfung“, sondern vielmehr die erwünschte „Publikums-Beteiligung“ zentrales Motto dieser Ausstellung – so zumindest sieht es zunächst aus. Vorsorglich wurde ein politischer Kunstbegriff mit Hinweisen auf individuelle Haltungen künstlerischer Intentionen einerseits und konträren Sehweisen in den siebziger und neunziger Jahren (die einen Reanimations-Versuch starteten) andererseits relativiert. Auch „engagierte Kunst“ sei kein „feststehender Terminus“ – heißt es in den Infobroschüren – gemeint sei ein Kunstbegriff, der gesellschaftlichen Einfluss ausüben wolle. Zu sehen ist eine Art fragmentarische Bestandsaufnahme von dem, was an einzelnen Utopien blieb und zweitens, inwieweit es der Künstler-Generation der neunziger Jahre gelungen ist, engagierte Ideen wieder zu beleben oder zu transformieren. Dass ein solcher Rückblick eher nostalgisch verklärend gelang, aber – bei aller formalästhetischen Korrektheit – wohl ohne den gleichen Impuls sozialpolitischer Umwälzungs-Strategien in…