Michael Nungesser
68 und die Folgen
30 Jahre Galerie Poll
Achtundsechzig war ein mythisches Jahr, in dem sich Rebellion und Trauer, Gewalt und Aufbruch auf gesellschaftspolitischer Ebene weltweit mischten. Zugleich war es das Geburtsjahr der Galerie Poll, die in der deutschen Kunstlandschaft seither zu einer festen Größe geworden ist. Der zeitliche Zusammenhang birgt inhaltliche Parallelen. Die Galerie wurde zum Zentrum der damals virulenten realistischen Tendenzen, die sie, auf den Gesamtnenner figurative Kunst erweitert, bis heute als Leitmotiv für ihr Ausstellungsprogramm beibehalten hat.
Jetzt, 30 Jahre nach der Eröffnung am 8. Oktober 1968, erinnert eine Ausstellung mit Werken von Hermann Albert bis Lambert Maria Wintersberger an die Anfänge. Zahlreiche Galerieplakate, dokumentarische Fotos, Postkarten, Werkverzeichnisse und andere Publikationen sowie die Abbildungen des Kataloges erinnern auch ein wenig an die Entwicklung der Galerie bis heute. Begonnen hatte man übrigens in der Niebuhrstraße in Berlin-Charlottenburg, ab 1971 lag die Galerie am Kurfürstendamm, 1979 erfolgte, nun unter dem Namen Galerie Eva Poll, der Umzug an den jetzigen Standort am Lützowplatz in Berlin-Tiergarten, in der Vorkriegszeit einmal das traditionelle Kunsthandelszentrum des Berliner Westens.
Die Jubiläums-Ausstellung rekonstruiert mit in den sechziger Jahren entstandenen Werken die künstlerische Ausgangsposition der Galerie, die sich bald zum Zentrum des (West-) Berliner Kritischen Realismus entwickelte. Häufig wird der Begriff als Pleonasmus mißverstanden. Doch der Zusatz “kritisch” verweist darauf, daß die in jedem Realismus implizit enthaltenen kritischen Elemente hervorgehoben und entfaltet werden, ohne in Agitprop umzukippen, der damals häufig als einzige Alternative zur Kulturindustrie anerkannt wurde. So war es kein Zufall, daß die Eröffnungsausstellung Peter Sorge galt,…