6. Ästhetik der Lebenspraxis
Daß Kunst in einer befreiten Lebenspraxis aufgehoben werden soll, ist schon deshalb obsolet, weil die Lebenspraxis, die hergestellt wird, nicht befreiend ist. Sie wird es aber als reflexive Erkenntnis, wenn man sie als “erweiterte Kunstformen” begreift. Das setzt allerdings voraus, daß Kunst nicht naiv als Gesellschaftskritik verstanden wird, die sie nicht leisten kann, sondern als Kritik an Hochkultur. Erst mit diesem Zwischenschritt kann Verwunderung darüber auftauchen, wieso es eines “Gurus” wie Joseph Beuys bedarf, damit Städte begrüntoder Obdachlose versorgt werden.
“Kunst als (befreiende) Lebenspraxis” ist Ideologie, wenn damit “mehr” gemeint ist, als die Beschaffung von (ästhetischen) Ressourcen, mit der Künstler unter kulturindustriellen Bedingungen noch einmal Aufmerksamkeit und finanzielle Mitteln erhalten, und die, im glücklichen Fall, Befreiung von ästhetischen Normen und Konventionen ausdrückt.
Christine Resch