DAZZLE SHIP
Als die deutsche Kriegsmarine 1906 das erste moderne kriegstaugliche U-Boot in Dienst stellte und mit Beginn des Ersten Weltkriegs dann in größerem Umfang U-Boot-Flotten ausliefen, stand die gegnerische britische Marine vor dem Problem, die deutschen Späher am Periskop optisch zu verwirren: Verstecken konnte man die eigenen U-Boote nicht. Wohl aber vermochte man durch die Bemalung des Rumpfes Räume und Objekte so sehr zu verzerren, dass Größe, Kurs und Geschwindigkeit für den Gegner nicht mehr exakt zu berechnen waren. Die Briten entwickelten deswegen die „Dazzle Camouflage“ als Bemalung mit kontrastierenden Streifen, Kurven und geometrischen Mustern. Für diese Malerarbeiten zog das Londoner Kriegsministerium aber nicht etwa nur Anstreicher heran, sondern es rückten auch Avantgarde-Künstler in die Trockendocks ein, um solchermaßen ihren Beitrag zum Wehrdienst zu leisten und sich von den Muster-Vorlagen ebenfalls für eigene Bilder inspirieren zu lassen. Drei englische Schiffe aus der Zeit des Ersten Weltkriegs sind noch erhalten, darunter die HMS President, die 1918 speziell zur U-Boot-Abwehr entwickelt wurde. Sie ist heute auf der Themse angedockt und wird nun vom Künstler Tobias Rehberger im Rahmen des Kulturprogramms „14-18 Now“ neu bemalt. Ein zweites ehemaliges Kriegsschiff gestaltet in Liverpool der venezolanische Künstler Carlos Cruz-Diez. Rehberger orientiert sich bei seinem Projekt eng an die ursprüngliche Zweckbemalung. Schon bei seiner Arbeit „Was du liebst, bringt Dich auch zum Weinen“, für die er 2009 auf der Biennale von Venedig einen Goldenen Löwen erhielt, hatte Rehberger eine Cafeteria mit einer Op Art-Bemalung gestaltet, bei der die Linien zwischen den einzelnen Flächen gebrochen wurden und…