Dirk Schwarze
50 Jahre documenta
»Nebenwege durch eine Ausstellungsgeschichte«
Kunsthalle Fridericianum, Kassel 1.9. – 20.11.2005
In der documenta IX (1992) war die Arbeit des Belgiers Guillaume Bijl im Außenraum zu sehen. Das dem Museum Fridericianum benachbarte Kaufhaus hatte Bijl zur Ausgestaltung eine neue Schaufensterfront am Friedrichsplatz überlassen. Der Belgier schuf daraus eine elegante Einheit mit zwei (verschlossenen) Eingängen und drei Schaufenstern. Er täuschte den Zugang zu einem großen Wachsfigurenkabinett zur kompletten documenta-Geschichte vor. Natürlich gab es dieses Kabinett nicht, sondern nur die drei Szenarien in den Fenstern: In der Mitte sah man Arnold Bode, den Vater der documenta, und seine Frau Marlou – er stehend, sie sitzend, etwas grob gestaltet, und von einem Bild im Stile von Paul Klee und einer abstrakten Skulptur eingerahmt. Links davon stand Joseph Beuys, der die documenta mit am stärksten geprägt hat, mit einer Fettecke und Stangen, wie er sie in seinen Installationen benutzt hatte. Und rechts schließlich war Jan Hoet, der Chef der documenta IX, zu sehen. Ihn umrahmten das Plakat, das Hoets Vorstellung vom displacement illustrierte, und ein Schwan, der zum Symbol und Logo der Ausstellung geworden war.
Guillaume Bijl hatte mit diesem Wachsfigurenkabinett die Personalisierung des Kunstbetriebes ironisiert: Wie bei Beuys war die Figur des Künstlers vor das Werk getreten. Und während das Ehepaar Bode noch von Kunstwerken umgeben war, traten bei Hoet die vom Ausstellungsmacher gewählten Theorien und Symbole an die Stelle der künstlerischen Arbeiten. Die Präsenz des Kurators, die gerade bei Jan Hoet eine bis dahin unbekannte Eigendynamik entwickelte, veränderte auch…