5. Marrakech Biennale
»Où sommes nous maintenant?«
von Max Glauner
Sonderlich nervös wirkte Dahmad Boutfounast vor seinem großen Auftritt nicht. Die Sonne war vor einer Stunde untergegangen und der größte Platz Marrakechs, der Jamaa el Fna, der Platz der Hingerichteten, auf dem der junge Ingenieur gleich seine Performance beginnen würde, summte und brummte auch an diesem Dienstagabend wie ein Bienenstock.
Gelassen trug der junge Mann mit seinem Assistenten ein Tischchen samt Flipchart aus dem niedrigen Gebäude der ehemaligen Bank Al Maghrib. Einige Stunden zuvor hatte man es als zentralen Austragungsort für die 5. Marrakech Biennale eröffnet. Noch bevor Dahmad Boutfounast seine Requisiten zurecht gerückt hatte, scharten sich erste Neugierige um seinen Tisch, auf dem geometrische Figuren, kleine weisse Kugeln, Würfel, Pyramiden zu Türmchen gestapelt waren, während an den Tischkanten handgemalte Pappschilder „Souvenirs“ zum kleinen Preis für 10 bis 40 Dirham, anpries. Nach einem kurzen Blick in die Runde und mit gezücktem Stift ergriff der Performer ohne Umschweife das Wort und begann unterstützt von seinen Skizzen und Formeln auf Arabisch von den Herausforderungen der darstellenden Geometrie zu dozieren.
Nichts zu verstehen, hieß dabei die Aufmerksamkeit auf jenes Moment der Veranstaltung lenken zu können, von dem ihr größter Reiz ausging, dem Publikum. Obwohl auf dem el Fna Nacht um Nacht Wahrsagerinnen mit Gauklern und Affendressuren mit Schlangentänzen um die Gunst des Publikums buhlen, hatte sich um den Vortragenden in wenigen Minuten ein stattlicher Kreis Zuhörer geschart. Einheimische Frauen, Kinder, Männer einige wenige Touristen kamen, guckten mal länger, mal kürzer. Ein harter Kern Experten, von dem ab…