Sebastian Egenhofer
33 1/3 rpm und andere
Walter Dahn, Another Time Another Place
Arbeiten von 1988-1997
Stedelijk Museum, Amsterdam, 3.10. – 23.11.1997
Das dürre Gelb eines Pflanzenrests ist Anlaß einer mehrschichtigen Wahrnehmung – Sterbefarbe des Organischen, Nachschein von biegsamem Braun, glattem Grün. Der Zweig in der Glasflasche ist kein in seiner vollen Präsenz umrissener Gegenstand, sondern im Sehen unmittelbar schon gelesene Spur, später Zustand, schütter von nach und nach verlorenem Saft. Die Zeitlichkeit von Dingen, von Materialien, deren Gegenwart nur als Innehalten eines Zustandsverlaufs wahrnehmbar ist, öffnet viele der behutsamen Objektkonstellationen Dahns für eine stumme, vorliterarische Erzählung. Es sind die Gegebenheiten, die sprechen, die immer sprechen, nur hier hörbarer sind – oder neutraler vernehmbar: Es geht kaum um Synästhesie, obwohl die aufgebrochenen Samenkapseln in derselben Vitrine ‘scheppern’. Die Erweiterung des Visuellen will nicht wie die moderne Abstraktion zur reiner geglaubten Kunstform der Musik, sondern – gerade gegenläufig – zu den Dingen, zu ihrer zögernden Selbstdarstellung. Sehen ist hier mehrfaches Hinsehen auf die Bruchstellen und Rauheiten, ein Ausfalten möglicher Sinnbezüge. Die Arbeit Dahns vertraut darauf, daß eine hinnehmende Aufmerksamkeit im Unscheinbaren, Randständigen, im täglich achtlos Übersehenen Schönheit vor ihrer ästhetischen Formalisierung, Sinn vor der autoritär-gelenkten Mitteilung antrifft und erhalten kann. Seine passive Intentionalität vernutzt die Dinge nicht als Zeichen, sondern ordnet das Geflecht von Bezügen, die sie von sich her anbieten, artikuliert ihre außergrammatische Sprache.
Die Sensibilität scheint zunächst wenig selektiv. Sie muß gemäß ihrem schon ethischen Zug zur Offenheit ohne vorgreifende Ausschließlichkeit sein. Sie läßt sich noch vom nostalgisch-falschen Gefühl manchmal zweideutig berühren und…