Istanbul, 16.09.2017 – 12.11.2017
15. Istanbul-Biennale
Der doppelte Sinn der Bilder
Auf der Suche nach einer zeitgemäßen Ästhetik des Widerstands setzt die 15. Istanbul-Biennale auf die Kraft des Metaphorischen
von Ingo Arend
Ein emotionsloser, durchdringender Blick hinter den dreckigen Fenstern eines Hauses. Kaum ein Werk demonstriert das Motiv des Doppeldeutigen, das die 15. Istanbul-Biennale durchzieht, besser als „Life Track“ – das gerade mal dreidreiviertelminütige Video des georgischen Künstlers Vajiko Chachkiani in einer abgelegenen privaten Istanbuler Pera Müzesi. Treibt den langsam näherkommenden Mann in dem Bungalow Interesse oder Abwehr? Will er uns begrüßen, Angst machen, auf die Finger schauen? Kann man diesem leicht verwahrlosten Nachbarn mit fettigen Haaren trauen?
„A good neighbour“ – das scheinbar banale Motto, das Elmgreen & Dragset für ihre erste Biennale als Kuratoren wählten, ist nicht das befürchtete Appeasement mit dem System Erdoğan geworden. Zwar klang die Idee der Künstler, die Besucher sollten sich „jenseits des binären Codes pro oder contra Erdoğan“ verorten können, wie die Kuratoren ihr Konzept vorab einmal beschrieben, einigermaßen luxuriös, ja zeitenthoben in einem Staat, der so an der Schwelle zur Ein-Mann-Diktatur steht. In dem seit über einem Jahr der Ausnahmezustand herrscht. Und der missliebige Künstler wie die Malerin Zehra Doğan oder den Schriftsteller Doğan Akhanlı mit Gefängnis bedroht. Doch die Sprache des Metaphorischen fast aller Werke der 56 KünstlerInnen aus 32 Ländern entwickelt eine ganz eigene, unterschwellige Brisanz.
Die Kuratoren demonstrieren ihre Zentralidee schon über die Ausstellungsorte: Einem privaten Apartment, einer alten Villa, einem historischen Hamam. Alle Venues sind fußläufig gut erreichbar. Der Nachteil dieser „nachbarschaftlichen“ Topologie:…