14 GRIMMWELT Kassel
Agus Nur Amal PMTOH, Alice Yard, Jumana Emil Abboud
Der hartnäckigste Ohrwurm der documenta fifteen stammt wohl von Agus Nur Amal PMTOH [01], der in seinem manuell betriebenen „Fernsehprogramm“ TV Eng Ong schauspielerische Leidenschaft mit den Methoden des traditionellen Geschichtenerzählens aus Aceh, Sumatra verbindet. Sein Jingle hallt zu Beginn jeder Vorführung durch einen Sperrholz-Rahmen, der einen Fernseh- oder Handybildschirm darstellt und die Bühne für ein interaktives Sprech-Gesang-Theater bietet.
So reiste Agus nach der Tsunami-Katastrophe 2005 durch Aceh und gab Menschen Gelegenheit, ihre Geschichten durch den improvisierten „Fernsehbildschirm“ hindurch zu teilen. Auch in Kassel arbeitet er in Workshops mit Kindern, um ihnen die Kraft des Geschichtenerzählens als produktiven Weltzugang zu vermitteln. Seine Aufmerksamkeit gilt stets dem breitestmöglichen Spektrum von Anliegen – anders als konventionelle Medienformate gern in sensationalistischer Manier den Fokus auf einzelne Ereignisse setzen.
Der Eindruck beim Durchwandern von Agus’ Requisiten changiert zwischen dem Besuch eines Flohmarktes und dem Umherschweifen in einer magisch miniaturisierten Welt, die politische Komplexitäten in quietschend bunte Haushaltsgegenstände überführt: Regenschirme Ausstechförmchen, Badelatschen und immer wieder kleine Plastiktöpfe, die als Musikinstrument, Wasserschöpfer oder Himmelskörper eingesetzt werden. Alles ist beweglich, kann bedient und selten bloß in eine Richtung ausgedeutet werden. Inmitten der Märchenkulissen der GRIMMWELT, in der man sich schon mal in einem Wald aus Bürstenbäumen, Schimpfwortmaschinen und einer „Märchenbombe“ aus Beton verirren kann, ist Agus’ Kosmos gerade recht platziert – als Grenzgänger zwischen Realitäten in unterschiedlichen Aggregatszuständen und Härtegraden, die aufeinander Bezug nehmen und Zwischenräume schaffen,…