Michael Hübl
1:1 unentschieden
DIE DDR-KUNST NACH WENDE, WAHL UND WÄHRUNGSUNION
Die ästhetische Ruhe des U-Bahnhofs Berlin-Stadtmitte gibt es im Westen nicht. Sie hat kaum etwas gemein mit dem ostentativen Reizentzug eines weißen Raumes, wie ihn ein Loft in London oder eine Galerie in Gelsenkirchen zelebrieren, gleichsam als Schutzräume vor dem Sturm der Bilder, der auf die Menschen der Großstädte eindrückt. Die ästhetische Ruhe des S-Bahnhofs Berlin-Stadtmitte hat etwas Selbstverständliches. Nur zum Teil rührt sie daher, daß jede Werbung, jedes Plakat, jeder Anschlag, selbst ein Fahrplan fehlen. Was diese visuelle Stille ausmacht, ist der offensichtliche Verzicht auf Styling, Design. Sie ist das schlichte, auch ärmliche Ergebnis aus Nüchternheit und Notwendigkeit: ein Bahnsteig zwischen den Geleisen, verschraubte Eisenpfeiler als Stützen der Stahlbetonrippendecke, einer Abfolge aus miniaturisiertem Halbtonnengewölben. Dem Licht der Leuchtstoffröhren ist alle Verschwendung versagt, ohne daß es sich schon im Schummrigen verlöre.
Ruhe, Schutz und Stille – das sind Stichworte, um die man bei der Auseinandersetzung mit der Kunst der DDR nicht herumkommt. Da ist die soziologische Seite: Der Kunstwissenschaftler Achim Pohl vertritt die These, daß die DDR-Künstler künftig ihre Nischen verlieren werden, die das sozialistische System trotz aller möglichen Repressalien und oftmals nur aus schierer Ignoranz bereithielt. Einen Schonraum stellte es allein deshalb dar, weil – jedenfalls innerhalb der DDR – kein Kunstmarkt existierte, der den Konkurrenzdruck zwischen den Künstlern anheizte. Diese Form der Ruhe, die eben auch für die Künstler galt, die es sich nicht im SED-staatlichen System der Förderungen und Vergünstigungen bequem gemacht hatten, dürfte fortan hinüber sein.
Ein Prozeß, der…