GERHARD JOHANN LISCHKA
100 MOMENTE
AUFLÖSUNG DES WERKS IM AKT DER PRÄSENTATION
EIN REPORT AUS 25 JAHREN MIT JAMES LEE BYARS
Auf den ersten Blick sieht dieses kleine Foto in einem Goldrahmen wie ein Selbstporträt von James Lee Byars aus (Abb. 1); gezeigt in der Berner Galerie von Toni Gerber, seinem großen Förderer. Bestimmt müsste man es auch als solches bezeichnen, denn wir wissen von seiner Arbeit, dass diese sich immer auf irgendeine Art und Weise mit und an ihm selbst demonstriert. Wenn wir aber sehen, dass sein Kopf bis unter die Augen mit einem schwarzen Tuch bedeckt ist und er zudem noch eine Brille trägt, deren Gläser goldbeschichtet und undurchsichtig sind, dann können wir diese Fotografie eigentlich nicht mehr als Selbstporträt bezeichnen. Denn der Porträtierte versucht sich so weit wie möglich zurückzunehmen; auch noch dadurch, dass wir den unteren Teil des Gesichts gar nicht sehen und er dabei so aussieht, als würde er über den unteren Rand des Bildes zum Betrachter hinübersehen wollen.
Aktionen als Verletzung des Horizonts
Dieser (unbekannte) Betrachter ist es auch, der, wenn er (tatsächlich) vor ihm steht, sich selbst verdoppelt in den goldenen Gläsern gespiegelt sieht, jedoch durch die Wölbung der Gläser verzerrt, sodass er sich selbst unkenntlich erscheint. Darum, so glaube ich, geht es auch Byars: Weder darum, dass wir ihn erkennen, noch darum, dass wir uns erkennen, sondern nur darum, dass wir im Moment der Begegnung ein gemeinsames Erlebnis haben, das sich nicht mehr um die Identität des Künstlers oder des Betrachters kümmert. Deshalb spielt Gold bei…