Christoph Doswald
„Kunst ist paradoxerweise oft die Speerspitze urbaner Transformationsprozesse“
Globalisierte Sprachlichkeit trifft auf lokale Prozesse
Welche Bedeutung hat Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) für eine demokratische Öffentlichkeit?
Überspitzt gesagt, ist KiöR der Lakmustest für den demokratischen Reifungsgrad einer Gesellschaft. Natürlich ist das ein hoher Anspruch, den ich formuliere; aber unsere Erfahrungen in Zürich zeigen in diese Richtung. Wir haben in den letzten drei Jahren intensive und öffentliche Debatten über zwei Projekte geführt – das sogenannte Nagelhaus von Thomas Demand/Caruso St Johns (Abb. 1) und der Hafenkran, ein Projekt einer Künstlergruppe um Jan Morgenthaler –, die entlang essenziellen Fragen der Kunst verlaufen sind. Etwa: Wie kann das Ready-made ohne Rahmung durch den White Cube seinen Kunstwert behaupten? Wie lässt sich eine globalisierte Sprachlichkeit mit lokalen Prozessen und Fragestellungen verbinden?
Das sind anspruchsvolle Themen, die unsere ganze Vermittlungsenergie brauchen – gerade im Zeitalter von Gratiszeitungen, Click-Journalismus und Medienkrise kein einfaches Unterfangen. Dass wir dann in der Volksabstimmung zum Nagelhaus von Thomas Demand nahezu die Hälfte der Zürcher Bevölkerung von der Qualität des Projektes überzeugen konnten, werte ich, trotz der knappen Niederlage, als großen Erfolg. Ich kenne kein Land, das sich auf einer so breiten und gesellschaftlich abgestützten Ebene mit derart komplexen Themen befasst.
Nochmalige Erweiterung des Kunstbegriffs
Benötigt die kapitalistische Gesellschaft die KiöR als „kritisches Feigenblatt“ oder wird sie als Repräsentationsinstrument missbraucht?
Weder noch! Wir stellen fest, dass in den letzten Jahren die wesentlichen Impulse für Kunst im öffentlichen Raum ursächlich von der Kunst ausgingen. Das lässt sich tendenziell bei allen Großveranstaltungen beobachten, wie es auch im institutionellen…